Media4Us » Kunst https://www.media4us.de/wp Ein weiterer WordPress-Blog Mon, 23 Feb 2015 14:22:24 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=4.2.2 Heimat, bittersüße Heimat. https://www.media4us.de/wp/2012/12/12/heimat-bittersuse-heimat/ https://www.media4us.de/wp/2012/12/12/heimat-bittersuse-heimat/#comments Wed, 12 Dec 2012 13:19:27 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1068 Esther Donkor hat sich das Stück „Heimat, bittersüße Heimat“ im Rahmen der Ausstellung "Homestory Deutschland" angesehen. Die Inszenierung, die zwischen politischer Satire, Theater und szenischer Lesung changiert, handelt vom Anderssein und vermittelt ein Stück bundesrepublikanischer Wirklichkeit. Eine Kritik.]]>

von Esther Donkor

„Entschuldigen Sie junge Frau, dass ich Sie anspreche, aber ich wollte Ihnen nur sagen:  Ich bin ja begeistert! Wie tadellos Sie Deutsch sprechen – weiter so!  Ach Sie sind Deutsche? Afro-Deutsche? Also eine farbige Deutsche, sozusagen? Also farbig UND deutsch, beides zur gleichen Zeit?
Und Sie studieren Operngesang? Das ist ja toll! – obwohl Ihnen ja wahrscheinlich der Jazz mehr im Blut liegt…“.

Bild aus der Ausstellung “Homestory Deutschland“

Manchmal wünscht man sich eine Fernbedienung. Mit der Mute-Funktion könnte man für einen Augenblick Ruhe sorgen, aufatmen, sich normal fühlen. Auch wenn es nett gemeint ist, weltoffen und tolerant: Es nervt. Leute, die Afrika für ein ganz tolles Land halten. Leute, die ihr „Deutsch-Sein“ langweilig und das „Exotische“ viel interessanter finden. Leute, die ja nur neugierig sind und dir vorwerfen, du seist viel zu empfindlich. Ja, sie nerven oft genauso sehr wie die Neo-Nazis, die einen zu Schnitzeln verarbeiten wollen und die vermeintlichen „Gutmenschen“, die in entscheidenden Momenten ihre Zivilcourage verlieren.

„Heimat, bittersüße Heimat“ heißt das Theaterstück, das genau mit diesen Themen spielt. Inszeniert vom Berliner Theater-Ensemble „Label Noir“, habe ich es mir im Rahmen der Ausstellung „Homestory Deutschland“ in Köln angesehen. „Label Noir“ gibt es seit 2007. Die Besetzung besteht aus einer Gruppe professioneller, afrodeutscher Schauspielerinnen und Schauspielern, die mich und die anderen Besucher des Stücks mit einem Mix aus Theater-Szenen, Film-Clips, Stand-Up und Improvisation schwer begeisterten und zu neuen Denkansätzen bewegten. Was wäre zum Beispiel, wenn nicht Europa für Afrika, sondern Afrika für Europa Spendenaktionen starten müsste? Katja Ebsteins Schlager-Hit „Ein Indiojunge aus Perú“ müsste textlich angepasst werden. Anstatt „Ein Indiojunge aus Perú, der will leben so wie Du. Er will leben, doch die Türen bleiben zu“ hieße es dann „Weißer Junge aus Karlsruh‘, will leben so wie du“. Performt von einer afrikanischen Tanzgruppe, die das Publikum mit ihrem Song dazu aufruft, für das arme Europa zu spenden.

„Heimat, bittersüße Heimat“ bespielt jedoch nicht nur das Afrodeutschsein. Das Anderssein im Allgemeinen wird portraitiert und das fesselt bis zur letzten Minute. Gerne zitiere ich die Beschreibung des Stücks auf der Internetseite von „Label Noir“, denn besser kann es eigentlich nicht gesagt werden:

Irgendwo zwischen politischer Satire, Theater und szenischer Lesung inszenieren sie ein kleines Stückchen bundesrepublikanischer Wirklichkeit. Bizarr, absurd, traurig, komisch, ärgerlich und auf dem Wege der Besserung. Am Ende ahnt man, dass es noch Zeit, noch einige Zeit dauern wird, bis Deutschland versteht, dass die in Deutschland lebenden Menschen – deutsch sind. Egal welche Hautfarbe, welchen Akzent, welche Herkunft und welche Bildung sie haben. Einfach deutsch Sein. Warum wir immer noch darauf warten müssen?“

Das Stück hat sehr zu der Austellung „Homestory Deutschland“ gepasst. Im deren Rahmen wurden die Biografien von 27 Schwarzen deutschen Persönlichkeiten aus drei Jahrhunderten präsentiert. Vom 18. Jahrhundert bis heute gab es stets Afrodeutsche in unserem Land. Wie sie ihr Leben hier gemeistert, wie sie gelitten und wie sie gelebt haben, wird im Rahmen von „Homestory Deutschland“ deutlich. Das ist wichtig – nicht nur für Afrodeutsche, sondern für alle, die in unserem Land leben. In Köln ist die Ausstellung leider erfolgreich zu Ende gegangen. Vom  23. Januar bis 22. Februar 2013 findet sie jedoch in Nürnberg statt. Und ich kann jedem nur empfehlen, sie zu besuchen.

 

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Sehnsucht https://www.media4us.de/wp/2012/11/12/sehnsucht/ https://www.media4us.de/wp/2012/11/12/sehnsucht/#comments Mon, 12 Nov 2012 09:06:19 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=883 Eine Geschichte im unglamourösen Berlin, die doch nach Hollywood klingt. Der Fotograf Nicolas Balcazar sitzt mit seiner Mappe in einem Imbiss, als ihn ein Kunstliebhaber anspricht. Kurze Zeit später eröffnet er seine erste Ausstellung. Bis Ende Dezember sind die Arbeiten des Halb-Peruaners in Berlin Mitte zu sehen. Josephine Landertinger-Forero war auf der Vernissage und hat mit dem Künstler gesprochen. ]]>

Am Rande des 5. Europäischen Monats der Fotografie

von Josephine Landertinger Forero

aus der Ausstellung “Sehnsucht” / © Nicolas Balcazar

Es klingt wie eine Geschichte aus Hollywood, doch passiert ist sie im unscheinbaren Berliner Kiez an der Spichernstraße in Berlin Wilmersdorf. Ein junger Mann trägt eine große Kunstmappe mit Arbeitsproben, da er sich gerade an einer Fotoschule beworben hat. Auf dem Weg zurück nach Hause macht er, Nicolas Balcazar, Halt an einem kleinen Restaurant, um seinen Mittagshunger zu stillen. Dort fragt ihn ein älterer Herr, ob er mal den Inhalt der Kunstmappe beäugen dürfe

Nichtsahnend zeigt der 27-Jährige dem älteren seine Schätze – doppelbelichtete schwarz-weiße Porträtfotos mit Naturmotiven. Prompt begeistert sich der Herr – zufällig Inhaber einer Galerie in Berlin Mitte. Später entpuppt sich der Galeriebesitzer als Geschäftsführer eines Vereins an der Chausseestraße, dessen Räumlichkeiten gerade leer stehen.

Nur wenige Wochen später fand in eben diesen Räumen die Vernissage zu „Sehnsucht“ statt, der ersten Ausstellung des jungen Shooting-Stars der Berliner Fotoszene. Doch so hollywoodesk lief dann doch nicht alles. Statt glamouröser Mitte-Galerie befanden sich die Gäste mitten in den Büroräumen des Vereins. „Die Projekte, die hier stattfinden, haben kurzfristig doch noch eine Förderung bekommen. So konnten wir weder Tische noch Computer wegräumen“, erklärt Balcazar. „Aber deswegen wollte ich nicht meine erste Ausstellung absagen.“ Denn gerade läuft parallel auch der fünfte europäische Monat der Fotografie in sieben verschiedenen Städten, darunter auch Berlin. Da bietet es sich an, die Aufmerksamkeit der rund 500.000 Besucher des Fotofestivals auszunutzen. Mehr als 100 Berliner Institutionen wie Kulturinstitute, Galerien, Fotoschulen oder Projekträume stellen zum Thema „Der Blick des Anderen“ aus

Das passt genau zu Balcazar. „Als ich 2004 von Peru nach Deutschland gezogen bin, kaufte ich eine kleine Digitalkamera und wollte damit meine Reise festhalten. Ich fotografierte immer mehr und schnell merkte ich, dass ich dahin schaue, wo nicht jeder hinguckt.“

Als Halb-Peruaner, Halb-Deutscher, in Berlin geboren, in Lima aufgewachsen, ist Multikulturalität Balcazars Lebensmotto. „Grenzen sind vom Menschen gemacht und gehen gegen unseren natürlichen Instinkt die Welt erkunden zu wollen. Ich hoffe, dass es eines Tages möglich sein wird, grenzenlos und ohne komplizierte Visa-Regelungen zu reisen”, sagt Nicolas. Reisen ist seine Leidenschaft. Er hat nicht nur Lima und Berlin, sondern auch Lissabon, Lyon, Mailand, Pristina, Shanghai, Kuala Lumpur und viele andere Städte fotografisch festgehalten mittlerweile mit professionellem Equipment. „Reisen bereichert. Ich bekomme auf meinen Reisen so viel zurück: Erfahrungen, Menschlichkeit, unvergessliche Momente. Meine erste Reise machten meine Eltern mit mir, als ich ein Jahr alt war. Reisen ist für mich kein Aufwand, es ist wie in die U-Bahn steigen. Ich bin damit aufgewachsen“, erzählt Balcazar.

Balcazar weiß, dass er privilegiert ist. Dass etwa Kubaner ihr eigenes Land in der Regel nicht verlassen können, ist für ihn ein unerträglicher Gedanke. “Es ist traurig, dass unsere Gesellschaft zweigeteilt ist. Es gibt Menschen, die fast überall hin reisen können und solche, die es nicht dürfen. Das hat meistens damit zu tun, wie wohlhabend ihr Herkunftsland ist. Das ist unfair. Ich habe das Glück, einen deutschen Pass zu haben. Als ich mit einigen befreundeten Fotografen in den Kosovo und seine Nachbarländer gereist bin, kam ein peruanischer Kollege schließlich doch nicht mit. Die ganze Visa-Bürokratie wäre für ihn so aufwendig gewesen, dass er die Reise aufgegeben hat. Das ist einfach nicht richtig.

An den Reiseorten sind es vor allem die Menschen, die Balcazar interessieren. Die fotografiert er gerne in schwarz-weiß, denn Farbe würde hier nur ablenken. „Zu jeder Person habe ich einen bestimmten Bezug und genau diese Beziehung herauszukitzeln und mit der Kamera festzuhalten ist das, was mir gefällt. Außerdem sind diese Menschen alle so hübsch; die muss ich fotografieren“, erklärt der junge Fotograf und lacht.

aus der Ausstellung “Sehnsucht” / © Nicolas Balcazar

Dass bei seiner Lebensgeschichte die erste Ausstellung „Sehnsucht“ heißt, leuchtet ein. „Dieses Wort bedeutet, irgendeinen Ort oder irgendein Gefühl erreichen zu wollen und es nicht zu können. Es sind ferne Länder, Emotionen. Man hat tief in sich drin etwas, das man nicht ausdrücken oder ausleben kann. Sehnsucht ist nicht greifbar und das spiegeln meine Bilder wider“.

Die Besucher waren von der Ausstellung begeistert. Insgesamt wurden 17 Fotos auf der Vernissage verkauft. Ein Kunstsammler fand einige Bilder so toll, dass er gleich zwölf in limitierter Auflage bestellt hat. Nicht schlecht für eine Erstausstellung. „Du wirst berühmt“, freute sich seine Mutter und umarmte Balcazar.

Da kam also doch noch ein Happy End à la Hollywood.

Die Ausstellung läuft bis zum 29. Dezember 2012. Öffnungszeiten: Montags bis Freitags von 9.00 bis 13.00 Uhr. Ort: Galerie AFB, Chausseestraße 50B, U6 Schwartzkopffstraße, Berlin Mitte.

Website Nicolas Balcazar

Offizielles Programm zum 5. Europäischen Monat der Fotografie

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