Media4Us » Identität https://www.media4us.de/wp Ein weiterer WordPress-Blog Mon, 23 Feb 2015 14:22:24 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=4.2.2 Entfremdung https://www.media4us.de/wp/2013/03/04/entfremdung/ https://www.media4us.de/wp/2013/03/04/entfremdung/#comments Mon, 04 Mar 2013 15:44:37 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1320 Wer war ich? Wer bin ich? Wer werde ich sein? Diese Fragen beschäftigen viele Jugendliche mit Migrationshintergrund. Besonders die Generation, die hier geboren und aufgewachsen ist, muss sich manchmal mit dem Gefühl der Entfremdung auseinandersetzen. Ein Kommentar von Lizge Yikmis ]]>

Ein Kommentar von Lizge Yikmis

Wer war ich? Wer bin ich? Wer werde ich sein?

Diese Fragen beschäftigen viele Jugendliche mit Migrationshintergrund stärker als andere Altersgenossen. Besonders die Generation, die hier geboren und aufgewachsen ist, leidet zunehmend unter der Entfremdung von der eigenen Kultur und somit auch von sich selbst.

© media4us / foto: Thomas Bardohl – Beitrag aus dem Fotowettbewerb “Zeig’s uns!“

Sara lebt seit ihrer Geburt in Deutschland. Ihre Mutter kam als Kind nach Deutschland, die Eltern waren Gastarbeiter. Saras Vater flüchtete vor den politischen Verhältnissen in seinem Heimatland. Wenn man Sara nach ihrer Heimat fragt, lautet die Antwort: Deutschland. Hier ist sie aufgewachsen, hier hat sie ihre Freunde. Wenn sie in den Nachrichten immer wieder Berichte über Integrationspolitik oder die sogenannte fehlgeschlagene Integration von Migranten sieht, dann fühlt sie sich nicht angesprochen. Ihre Familie kann man als integriert beschreiben. Sie sprechen alle fehlerfrei Deutsch und beteiligen sich am sozialen Leben, falls es das ist, was man unter einer gelungenen Integration versteht.

Trotzdem fühlt sie sich hier – in ihrer Heimat – manchmal fremd. So geht es vielen anderen auch: Kinder mit Migrationshintergrund wachsen mit zwei Kulturen auf. Sie genießen eine andere Erziehung, da es in ihrer Kultur andere Normen und Werte gibt.

Saras Erziehung wurde stark durch die Vergangenheit ihrer Eltern beeinflusst. Früh begann sie sich für Politik und Menschenrechte zu interessieren. Es beschäftigt sie, warum Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Sie ist ein Mädchen, das über vieles nachdenkt und die Dinge zu hinterfragt. Sie unterscheidet sich eigentlich nicht sehr von ihren Freunden. Sie besucht die gymnasiale Oberstufe und ihr Freundeskreis besteht größtenteils aus Deutschen. Sie schmunzelt, als sie das sagt, denn mit dieser Bemerkung grenzt sie sich automatisch von ihren Freunden ab. Eine Mauer, obwohl da eigentlich keine ist. Andererseits: ihre Herkunft will sie auch nicht verleugnen. Sie ist stolz auf ihren Migrationshintergrund, denn dadurch ist sie die aufgeweckte, nachdenklich junge Frau geworden, die sie heute ist.

Ein Freund hat ihr einmal gesagt, sie mache sich zu viele Gedanken. Doch dieses Nachdenken hat mit ihrer Geschichte zu tun, mit ihrer Herkunft. Manchmal fühlt sie sich so, als hätte sie schon viel mehr erlebt als ihre Freunde. Doch das stimmt so nicht, es sind einfach nur die Geschichten ihrer Familie, die ihre Erfahrungen bereichern.

„Yolo“ steht für “you only live once”. Das machen nicht wenige Jugendliche zu ihrem Lebensmotto. Sie feiern ausgelassen und denken nicht an morgen. Natürlich darf man Spaß in seiner Jungend haben, keiner bestreitet das, doch irgendwann muss man erwachsen werden und Verantwortung übernehmen. Verantwortung kann man aber erst übernehmen, wenn man sein Leben ernst nimmt. Diese Ernsthaftigkeit hat sich bei Sara früher eingestellt. Zwei Kulturen, die in einigen Punkten nicht unterschiedlicher sein könnten, zerreißen einen manchmal. Man muss die Differenzen überbrücken und in einigen Dingen unterscheidet man sich dann eben von seinen Altersgenossen.

Man muss stark sein, um Grenzen ziehen zu können. Viele Jugendliche sind nicht stark genug oder lassen sich zu schnell entmutigen. Sie werden zu Mitläufern, weil sie nicht anders können oder weil sie nicht ausgeschlossen werden wollen. Für seine Herkunft sollte man sich aber nicht schämen müssen. Wenn man versucht, unterschiedliche Kulturen miteinander zu vereinen, dann sollten Freunde auch bereit sein, Toleranz zu zeigen.

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„Heimwärts“ – Einmal Ausland und zurück? https://www.media4us.de/wp/2013/02/25/heimwarts-einmal-auswarts-und-zuruck/ https://www.media4us.de/wp/2013/02/25/heimwarts-einmal-auswarts-und-zuruck/#comments Mon, 25 Feb 2013 10:51:31 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1371 Im Dokumentarfilm "Heimwärts" erzählen die Regisseurinnen Rita Bakacs, Masayo Kajmura und Graziella Tomasi vom Leben ihrer Eltern, die vor vielen Jahren eingewandert sind. Die Frage nach der Heimat, nach der Vergangenheit und der Zukunft stellt sich unterschiedlich und doch verbindet die Geschichten vieles miteinander. Mimoza Troni hat sich den Film für media4us angeschaut. ]]>

von Mimoza Troni

Drei Töchter dokumentieren das Leben ihrer Eltern im Ausland und wie sie wieder zurückkehren. Ein Leben zwischen damals und heute, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und die Frage nach der Heimat.

Gastarbeiter, politische oder wirtschaftliche Flüchtlinge – es fallen einem viele Begriffe ein, um Einwanderung zu beschreiben. Und dennoch haben alle Geschichten mit derartigen Hintergründen eines gemeinsam: Das Gefangensein zwischen zwei Leben, zwischen zwei Welten und zwischen Vergangenheit und Zukunft. Dieses „Dazwischen“ wird nun in dem Film „Heimwärts“ von Rita Bakacs, Masayo Kajmura und Graziella Tomasi aufgegriffen. Die drei Regisseurinnen sind die Töchter von Paaren, die eingewandert sind. Nun haben sie eine Dokumentation über ihre Eltern gedreht.

Drei Leben – eine Geschichte?
Ritas Eltern zum Beispiel lebten 22 Jahre in einer deutschen Provinz. Ihre Mutter Àgnes erklärt Rita, dass das Leben in Deutschland eine große Chance war. Gemeinsam mit ihrem Mann Péter hatte sie ihre Heimat, Ungarn, verlassen, um in Deutschland zu arbeiten – aber immer mit dem Gedanken zurückzugehen. Irgendwann. „In Ungarn hättet ihr von euren Deutschkenntnissen profitiert“, sagt Ágnes. Aber dazu kam es nicht, denn die Kinder beendeten ihre Schule und studierten in Deutschland. Also blieben sie hier. Szenenwechsel: Großstadt, Lärm und eine S-Bahn, die gerade am Berliner Alexanderplatz hält. Im Fokus steht Michiko Kajimura, die zusammen mit ihrem jetzigen Mann im Zuge der Studentenbewegung in den 1960er Jahren Japan verließ. Beide waren seitdem politisch aktiv – in Deutschland für die japanische Gesellschaft. Der Vater, Tachiro Kajimura, sagt, sie wollten sich das Leben in Deutschland anschauen, aber sie hatten eigentlich nicht vor hier zu bleiben. Wieder ein Szenenwechsel: Eine idyllische, ländliche Straße in Holland. 1962 kamen Tomasi und Rosetta als Gastarbeiter hierher. „In dieses regnerische Land“, wie sie ihre ersten Eindrücke beschreibt. Sie und ihr Mann verbrachten 40 Jahre in den Niederlanden – und bauten gleichzeitig an ihrem Haus unter der Sonne, um irgendwann dorthin zurückzukehren.

Neugier der Töchter entfacht Erinnerungen der Eltern
Es ist ein persönlicher Dokumentarfilm, dessen Einfachheit überzeugt: Es gibt keine gestellten Szenen, keine Erzählerstimme, die kommentiert, nur eine Kamera, die beobachtet und aufnimmt, wenn die Eltern erzählen. Am Bildschirm läuft die Übersetzung ins Deutsche als Untertitel – man muss also mitlesen, um zu verstehen, was die Eltern sagen. Und dennoch sprechen die Szenen für sich. Sie zeigen den Alltag dreier Familien, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und dennoch haben sie eines gemeinsam: Die Gedanken schweigen zwischen alter und neuer Heimat. Die Neugier der drei Töchter lässt diese Gedanken laut werden. So unterschiedlich die Anfänge waren, so verschieden enden die drei Migrationsgeschichten. Mehr oder weniger zufriedenstellend.

Die Rückkehr in die Heimat und die Frage nach dem Sinn

Filmstill: Ágnes und Péter auf der Rückfahrt nach Ungarn

Ágnes und Péter kehren zurück nach Ungarn. Mit dem Auto geht es durch halb Europa. Sie hören dabei deutsche Schlagermusik: „Viva Colonia- Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust“ strömt es aus dem Radio und Péter singt mit. Zurück in ihrer Heimat wollen sie sich um ihre alten Mütter kümmern. Als Ágnes Mutter sechs Monate später stirbt, macht sie sich Gedanken: „Früher kamen wir nach Ungarn, um unsere Eltern zu besuchen, nun leben wir ganz alleine hier. Unser Kinder und Enkelkinder sind fast 2000 km entfernt. Was hat das für einen Sinn?“ Für Michiko und Taichiro findet das Leben in Deutschland statt. Müsste sie nach Japan zurückkehren, würde sie sich in eine Zeit von vor 30 bis 50 Jahren zurückversetzt fühlen, sagt Michiko. Und Rosetta lebt in ihrem Haus in Sardinien. Unter der Sonne, unter alten Bekannten. Aber auch alleine, denn ihr Mann ist inzwischen verstorben. Ihre Tochter Graziella holt sie noch einmal zurück nach Holland. Alte Erinnerungen werden wach, wenn sie die alte Nachbarschaft erkunden und ehemalige Nachbarn besuchen. Eine Rückkehr in das alte Leben – für wenige Tage. Schön sei es gewesen, noch einmal würde sie aber nicht hier leben wollen. Sie bleibt lieber daheim.

Heimat also – aber wo ist das? Im Film „Heimwärts“ wird der Zuschauer eingeladen, anhand dreier Lebensgeschichten, unterschiedliche Heimatempfindungen und das innere Dilemma des zeitweisen oder dauerhaften Auswanderns nachzuvollziehen.

 

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Halay https://www.media4us.de/wp/2013/02/12/halay/ https://www.media4us.de/wp/2013/02/12/halay/#comments Tue, 12 Feb 2013 10:48:04 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1241 Halay, der traditionelle Volkstanz aus Anatolien ist nicht nur bei Älteren beliebt. Auch unter jungen Leuten steht er hoch im Kurs. In sozialen Netzwerken finden sich zahlreiche Beispiele neuer, moderner Interpretationen. Ob er selbst auch tanzt, verrät unser Autor Ibrahim Kizilgöz zwar nicht, aber er hat das Phänomen für media4us mal genauer unter die Lupe genommen. ]]>

Ein traditioneller Volkstanz aus Anatolien ist lebendiger denn je

von Ibrahim Kizilgöz

Am 30. Oktober 1961 wurde das Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei unterzeichnet. Das erste rechtlich verbindliche Schriftstück, in der die Anreise von Arbeitskräften aus der Türkei nach Deutschland mit einer maximalen Aufenthaltsdauer von zwei Jahren festgehalten wurde. Doch durch einige Gesetzesänderungen blieben viele Arbeitskräfte und gründeten Familien. Dabei haben sie einiges an kulturellen Traditionen aus ihren Herkunftsorten mitgebracht. Unter anderem den traditionellen Volkstanz aus Südostanatolien – „Halay“.


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Fragt man heute einen in Deutschland lebenden Jugendlichen mit türkischem oder kurdischem Migrationshintergrund, wann der nächste Halay stattfindet, kriegt man höchstwahrscheinlich einen konkreten und zeitnahen Termin genannt. Denn Halay wird überall und zu fast jeder Zeit getanzt: auf Hochzeiten, Geburtstagen, Demonstrationen und selbstorganisierten „Halay-Partys“. Die 21-jährige Ezgi A. packt sogar einen drauf: „Ich tanze Halay, wenn mir langweilig ist. Auch auf der Straße, einfach so.“

Vielleicht erklärt sich so, warum Jugendliche „komische“ Kreistänze auf dem Domplatz in Köln, in der Fußgängerzone in München oder an vielen Bahnhöfen tanzen. Einige Jugendliche treffen sich an Wochenenden und unternehmen einen Tripp in die nächste Großstadt, um in der Öffentlichkeit Halay zu tanzen und die kulturellen Schätze ihrer Vorfahren zu präsentieren.

Youtube und Facebook als Plattform

Dabei werden die Tänze mit dem Mobiltelefon aufgenommen, schnellstmöglich auf Youtube hochgeladen und auf Facebook veröffentlicht. Die Verlinkungsfunktion von Facebook sorgt dafür, dass die Videos schnell verbreitet werden. Es folgen Kommentare, unter anderem aus der Heimat, von Verwandten und Bekannten.

Dr. Peter Holzwarth und Prof. Dr. Horst Niesyto, Wissenschaftler im Bereich interkulturelle Medienbildung und -Pädagogik an den Universitäten Zürich und Ludwigsburg, erklären in einem Forschungsbericht zur Mediennutzung junger Migranten, Medienformen wie Facebook förderten die Identifikation mit und den muttersprachlichen Kontakt zur Herkunftskultur. Kulturelle Ausdrucksformen wie der Halay haben in ethnischen Communities die Funktion einer kollektiven, herkunftsbezogenen Selbstvergewisserung.*

Traditionell vs. Modern

Traditionell haben die Halay-Schritte einen kontextuellen Bezug, das heißt sie bilden die Situation der örtlichen Landwirtschaft oder die sozialen Bindungen ab. Mal geht es um die Fruchtbarkeit des Ackerfeldes, mal um die Arbeit auf dem Acker. Aber auch Probleme werden angedeutet. In Diyarbakir (in der Ost-Türkei) gibt es etwa Tanzschritte, die das Zertrampeln von Acker-Schädlingen imitieren. Andere symbolisieren die Beziehung zwischen Mann und Frau.

Die Frage ist, wie Jugendliche mit diesem Wissen umgehen. „Vielen Jugendlichen sind solche Hintergründe fremd. Es wird irgendetwas getanzt. Ein Mix aus Halay und Hip-Hop-Elementen oder, je nach momentaner Gefühlslage, irgendeine Bewegung, die gar keine Bedeutung hat“, meint die 19-jährige Alev O. Das Interesse vieler Jugendlichen mit türkischem/kurdischem Migrationshintergrund an Hip-Hop führt zu interessanten Versuchen, Halay mit modernen Elementen zu verbinden. So sind bereits professionelle Videoclips von Musikbands auf Youtube zu sehen, die genau diesen Ansatz verfolgen. Aber auch selbstgedrehte Amateuraufnahmen findet man im Netz, die von der Produktivität und Kreativität vieler Jugendlicher zeugen.


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So viel kulturelles Gut haben die sogenannten „Gastarbeiter“ also mitgebracht. Ein Halay-Hip-Hop-Tanz im Bundestag während einer undifferenzierten Debatte über die zum Scheitern verurteilte „Integration“ wäre wünschenswert und bestimmt sogar amüsant.

*Den Forschungsbericht zum Thema kann man hier abrufen.

 

 

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DIMA BILAN – ein Botschafter für die russische Popmusik https://www.media4us.de/wp/2013/01/17/dima-bilan-ein-botschafter-fur-die-russische-popmusik/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/17/dima-bilan-ein-botschafter-fur-die-russische-popmusik/#comments Thu, 17 Jan 2013 08:52:22 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1112 Dima Bilan hat seit seinem Sieg beim Eurovision Song Contest 2008 eine steile Karriere hingelegt. Der russische Sänger ist nicht nur in seiner Heimat bekannt, sondern macht durch Kooperationen mit Musik-Stars wie Anastasia auch international von sich reden. Auch in Deutschland wächst die Fangemeinde. Ein Porträt von Isabelle Conti.]]>

von Isabelle Conti

2008 gewann der junge Sänger Dima Bilan den Eurovison Song Contest in Belgrad. Als erster Russe holte er den begehrten europäischen Musikpreis – ein stilisiertes Mikrophon aus Kristall – in das Land der Balalaikas…. Seitdem ist Dima Bilan nicht nur einer der erfolgreichsten Popsänger Russlands, sondern vor allem ein Brückenbauer zwischen Ost und West.

Dima Bilan gewinnt 2008 als erster Russe den European Song Contest. © EBU, Foto: Indrek Galetin (eurovision.tv)

Der Name Dima Bilan ist spätestens seit dem Eurovison Song Contest 2008 in Serbien vielen in Europa geläufig. Damals repräsentierte der russische Popsänger sein Heimatland mit der romantischen Ballade ” Believe “. Mit auf der Bühne waren der ungarische Geigenspieler Edvin Marton sowie der Eiskunstläufer Jewgeni Pluschenko. Mit diesem Trio, das die” drei Musketiere” genannt wurde, gewann Dima Bilan den Eurovison Song Contest. In der mehr als 50-jährigen Geschichte des internationalen Sängerwettstreits hatte es Russland bis dato noch nie geschafft, den ersten Platz zu ergattern.

Früh übt sich, wer ein Meister werden will”

Dima Bilan stammt aus der russischen Nordkaukasus-Republik Karatschai-Tscherkessien, wo er seine Kindheit in einfachen Verhältnissen verbrachte. Die Musik spielte immer schon eine wichtige Rolle in seinem Leben; er lernte Akkordeon spielen und war Solist im Schulchor seines Gymnasiums. Einen ausgeprägten Ehrgeiz entwickelte er zudem durch die Teilnahme an verschiedenen regionalen Musikwettbewerben. Sein Talent wurde früh erkannt und schließlich ermöglichten ihm Gönner und Familie nach Moskau zu ziehen. Dort studierte er an der renommierten Musikakademie “Gnessin”. Bis heute erinnert sein Management gerne an Dimas ursprüngliche Ausbildung zum Opernsänger.

Im Alter von 24 Jahren veröffentlichte der Künstler sein erstes Album “Ya nochnoj holigan”, das die russischen Charts erobern konnte. Die Single-Auskopplungen erreichten allesamt die Top 50 der russischen Airplay-Charts. Den musikalischen Durchbruch aber sollte ihm mit seinem zweiten Album “Na beregu neba” gelingen, dessen gleichnamige Single sowie die Songs “Kak Hotel Ya” und “Ty Dolzhna Ryadom Byt” bis auf Platz zwei kamen.

Eurovision Song Contest

Dima Bilans Karriere ist durch eine starke Bindung an den Eurovision Song Contest geprägt. Bereits 2005 trat er mit der Pop-Ballade “Not That Simple” (Ty Dolzhna Ryadom Byt) im russischen Vorentscheid zum ESC an, musste sich jedoch einer anderen Kandidatin geschlagen geben. Bereits ein Jahr später, 2006, betrat Dima das europäische Parkett und erreichte im Finale in Athen einen beachtlichen zweiten Platz. Erfolgstitel war die poppige Nummer “Never Let You Go”. Die finnische Gewinnerband “Lordi” konterte mit Hardrock und Horrormasken – und gewann… Der Song ” Never Let You Go” ist eine Veröffentlichung der LP “Vremya-reka” ,mit der sich Bilan erstmals Platz 1 in Russland sicherte.

Mit jeder Menge Ehrgeiz und Vorschusslorbeeren trat Dima 2008 mit der von Jim Beanz produzierten Ballade “Believe” im Wettbewerb an und konnte sich im Finale gegen alle Konkurrenten durchsetzen. Seiner Favoritenrolle wurde er sicherlich auch durch die aufwendige Bühnenchoreografie und die Unterstützung durch den russischen Eislaufstar Plushenko sowie dem ungarischen Wundergeiger Marton gerecht. 2009 eröffnete er als Sieger des vorangegangenen Jahres traditionsgemäß den nächsten ESC in Moskau.


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Video:
Дима Билан – “Лови”. Презентация альбома “Мечтатель”

Dimas Karriere – Jetzt erst recht!

In Russland ist Dima Bilan längst ein Mega-Star. Doch will er trotzdem auch international groß rauskommen, um sich mit anderen berühmten Sängern und Sängerinnen messen zu können. Für die Produktion seiner Alben holt sich Bilan inzwischen prominente Unterstützung, wie etwa das Team des amerikanischen Top-Produzenten Timbaland oder Jim Beanz, Danjahandz und Ryan Tedder.

Timbaland, der schon mit Justin Timberlake, Madonna, Rihanna und Jennifer Lopez zusammengearbeitet hat, hat nun auch Dima Bilan auf die Sprünge geholfen. Die erste gemeinsam produzierte Single “Number One Fan” erschien im Herbst 2007 und eroberte sofort die russischen Charts. Es folgten Duette mit Nelly Furtado und anderen international bekannten Sängern.

2009 trat Dima Bilan zusammen mit dem Gewinner des Eurovison Song Contests Alexander Rybak während des ESC in Oslo auf. Im Sommer 2010 produzierte er den Kurzfilm “Theatre of the Absurd (Театр Абсурда)“, bei dem er selbst auch eine Rolle übernahm. Dieser Film diente als Grundlage für seinen Song “He Wanted To”. Im gleichen Jahr nahm Bilan zusammen mit der US-amerikanischen Sängerin Anastasia ein Duett auf. Die Single “Safety” wurde nicht nur in Russland, sondern auch europaweit ein großer Erfolg.

2011 erschien sein neues Album “Dreamers” (Мечтатели) mit den Singleauskopplungen “I’m suffocating” (Задыхаюсь), “Rock my life” und “Blind love” (Слепа любовь). Parallel dazu veröffentlichte Dima Bilan seine Autobiografie unter dem Titel “Vom Hooligan zum Träumer”. Hier beschreibt er nicht nur seinen künstlerischen Werdegang, sondern erzählt auch von persönlichen Erlebnissen im Showbusiness.

2012 nahm Dima Bilan zusammen mit Julia Volkova am Vorentscheid zum Eurovison Song Contest in Moskau teil. Mit dem Song “Back To Her Future” konnten sie sich jedoch nicht gegen die folkloristische Seniorengruppe “Buranovskiye Babushki” mit ihrem Gewinnersong “Party for everybody” durchsetzten und landeten nur auf Platz zwei.

Russia meets Germany

Zwar hat Dima Bilans Musik in Europa nicht unbedingt die gleiche Bedeutung wie in seiner Heimat Russland, doch sein Sieg beim Eurovision Song Contest 2008 ist bestimmt nur der vorläufige Höhepunkt seiner Karriere. Eines ist jedoch sicher: Dima Bilan öffnet Türen für die nachfolgende russische Musikergeneration, die junge und moderne Klänge produzieren. So trauen sich immer mehr junge talentierte Künstler im Westen ihre Musik zu präsentieren, wie z. B. Vlad Sokolovsky , Alloise oder Julia Volkova (ehemaliges Bandmitglied von t.A.T.u )


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Video: Дима Билан ‘Так Не Бывает’

Dima Bilan ist und bleibt jedoch der unbestrittene Star am russischen Popmusik Firmament und steht so regelmäßig an der Spitze der Russischen Charts. Kein anderer Künstler vor ihm gewann bereits mehr als 70 Awards für seine Musik, darunter sieben MTV EMA-Trophäen als “Best Russian Act“. Bei den MTV EMA 2012 in Frankfurt setzte er sich sogar im Europäischen Voting durch und wurde in der Kategorie “Worldwide Act“ als Repräsentant für Europa nominiert. Hier trat er gegen vier Gewinner anderer Weltregionen an. Dies waren Rihanna für Nordamerika, Restart für Lateinamerika, Han Geng für Asien und Ahmed Soultan für Afrika/Indien/Mittlerer Osten. Letztendlich gewann Han Geng für Asien, doch allein die Nominierung Bilans in der Kategorie “Worldwide Act“ zeigt, welches Potenzial in diesem russischen Popsänger liegt.

Dima Bilan – MTV Europe Music Awards 2012 © offizieles Bild / Logo der EMA 2012

Doch insbesonders Jugendliche aus Deutschland mit russischen Wurzeln sehnen sich nach einer musikalischen Identität. Diese kann vor allem durch vertraute “Heimat-Melodien”, Rhythmen, Klänge und natürlich der eigenen Muttersprache gefestigt werden. Die Musik dient als Austausch-Plattform für junge Menschen. Sie regt zum Dialog an, weckt Neugierde und schafft Mut, zu seiner Herkunft zu stehen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Deutschlandtour Dima Bilans im Oktober 2012 von seinen Fans bereits mit großer Ungeduld erwartet wurde. In fast 10. deutschen Städten, darunter Berlin, Hamburg und Köln gab Bilan Konzerte und diente so für seine treuen Anhänger als Botschaft ihrer russischen Heimat.

Dima Bilan war und ist für zahlreiche russische Auswanderer in Deutschland die “Number One“. Und vielleicht gewann er bei seiner Konzerttour 2012 ja noch den ein oder anderen deutschen Fan hinzu…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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“Ausländer raus” https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/auslander-raus/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/auslander-raus/#comments Mon, 14 Jan 2013 09:33:29 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1107 "Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie das ist?" So lautet die Frage, die die Schülerin Özlem jenen stellt, die sie als "Ausländerin" im eigenen Land deklassieren. Vorurteilen und Anfeindungen ausgesetzt zu sein, macht die Sache mit der Heimat noch schwieriger, als sie ohnehin schon ist. Ein Kommentar über das Hin und Her im Kopf und im Herzen.]]>

Ein Kommentar von Özlem Al, Schülerin der 10. Klasse

Menschen wie Dich verstehe ich nicht. Ganz ehrlich, in meinen Augen bist Du Dreck. Und das nicht nur, weil du was gegen uns hast, sondern schon wegen dieses Hakenkreuzes. Bist du stolz auf die Geschichte deines Landes? Wegen Leuten wie dir werden ALLE Deutschen in den Dreck gezogen!

Und jetzt zu etwas Anderem. Ich rede jetzt stellvertretend für ALLE „Ausländer“. Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie das ist? Du kommst als türkisches Kind in Deutschland auf die Welt und am Anfang hast du nur Kontakt zu anderen ausländischen Kindern. Dann gehst Du in den Kindergarten, in die Grundschule, in die weiterführende Schule, und du merkst, irgendwie passt du hier nicht rein.

Blick auf die Heimatstadt. Duisburg © privat

Du sitzt zwischen blonden, blauäugigen Kindern und denkst dir: Habe ich was falsch gemacht? Weil dich die Leute auf der Straße komisch angucken.
Du wirst ausgelacht, weil du einmal “das” mit “der” vertauscht hast und weil deine Mutter Kopftuch trägt, und nicht zu vergessen, weil du einfach ANDERS aussiehst. Du läufst draußen rum und hörst “Scheiß Türkin!”.

Dann, nach jahrelangem Hin und Her hast du es irgendwie geschafft, auf ein Gymnasium zu kommen, und du beherrschst die deutsche Sprache besser als einige Deutsche. Du denkst, das müsste doch reichen, um als Deutsche akzeptiert zu werden. Aber nein, wieder nicht. Die Lehrer glauben nicht an dich, die Leute stempeln dich trotzdem als “asozialer Kanacke” ab. Du weißt, als „Schwarzkopf“ wirst du in diesem Land nie dieselben Rechte haben wie andere. Aber du gibst nicht auf und versuchst den Leuten das Gegenteil zu beweisen.

Viele werden jetzt sagen: “Geh doch zurück in dein Land, wenn Deutschland so scheiße ist”. Glaubt ihr wirklich, es wäre so einfach? Stellt euch vor, ihr lebt seit Jahren in diesem Land, in dem eure Eltern und Großeltern im Schweiße ihres Angesichts versucht haben, etwas aufzubauen. Ich glaube kaum, dass ihr Freunde, Verwandte, eure Umgebung, ALLES einfach hinter euch lassen könntet.

Außerdem sagt niemand, Deutschland sei scheiße. Im Gegenteil: wir sind hier geboren, aufgewachsen, wir leben hier, wir sprechen eure Sprache, wir kennen eure Sitten, WIR GEHÖREN ZU EUCH.

Aber ist es nicht trotzdem normal, die Heimat zu vermissen? Als Kleinkind bringt man dich dorthin und ALLES ist so ANDERS –  wärmer, grüner und so… Du lernst deine Verwandten kennen und hast das Gefühl, dass deine Eltern zum ersten Mal so richtig glücklich sind. Zum ersten Mal kannst auch du selbst so sein, wie es deine Kultur vorsieht. Aber dann kommt wieder die Einsicht: Hier bist du auch nicht zu Hause.

Dorfidylle. Sanfte Hügel, Sonne und Blick auf die Moschee © privat

Dort bist du Ausländer und hier bist du Ausländer und das wird sich nie ändern. Und bald musst du zurück und du wirst diese Menschen hier erst in zwei Jahren wiedersehen und es ist immer, als würde man Dir das Herz aus der Brust reißen.
Du weißt nicht, was du denken sollst, wo du zuhause bist, wer du wirklich bist und wieso wir nicht einfach normal leben können – die Welt gehört doch uns allen…

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Heimat(los)? https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/heimatlos/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/14/heimatlos/#comments Mon, 14 Jan 2013 08:43:18 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1092 In einem Land, in dem der sogenannte Hintergrund eines Menschen so stark im Vordergrund steht, möchte Dilan Yilmaz gar nicht erst zu den Einheimischen gehören. Die Frage „Wo gehöre ich hin“? hatte für die media4us-Autorin stets einen leicht dramatischen Beigeschmack. Das Gefühl des Fremdseins im eigenen Land hat sie lange begleitet. Ein Kommentar.]]>

Ein Kommentar von Dilan Yilmaz

Für Sinaan El Haq

Ich habe angefangen Germanistik zu studieren, weil ich mir dachte, wenn du schon in diesem Land lebst, dann wirst du die Sprache besser beherrschen als die Einheimischen. „Unglaublich“ denke ich mir heute, „wie fremd musst du dich hier gefühlt haben“.

Wie viele Migrantenkinder bin ich hier auf die Welt gekommen und habe von Anfang an ein Leben geführt, in dem die Frage „Wo gehöre ich hin“? stets einen leicht dramatischen Beigeschmack hatte. Eine Frage, die meine Persönlichkeit geprägt hat. Dabei kann ich nicht einmal behaupten, dass ich aufgrund meiner Herkunft, oder um es präziser zu benennen, aufgrund meines „Migrationshintergrundes“, persönlich angegriffen wurde. Ich weiß nur nicht recht, ob ich mich deswegen zu den Glücklichen zählen soll, denn viele meiner Freunde können dies nicht von sich behaupten. Diejenigen, deren äußeres Erscheinungsbild nicht sofort auf einen „exotischen Hintergrund“ schließen lässt, haben sie Glück im Unglück?

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die nicht viel von Religion hielt. Also scheine ich wieder einmal Glück im Unglück gehabt zu haben. Denn seht her: Ich durfte Schweinefleisch essen, wenn ich wollte, und ein Kopftuch musste ich auch nicht tragen, so gut ist die Integration meiner Familie geglückt. Und wie viele Migrantenkinder türkischer Herkunft können von sich behaupten, noch nie einen Fuß in die Moschee gesetzt zu haben? Ich kann es. In meiner Familie hat man sich stattdessen an die Formen der Tradition geklammert, die schon meinen Vorfahren eine gesicherte Struktur im Leben bot. Es ist z. B. Tradition bei uns, dass die Eltern entscheiden, wie man sich in der Gesellschaft zu verhalten hat. Stellt man zu viele Fragen, gilt man als „zu neugierig“, lacht man lauter als alle anderen, signalisiert das Unbedachtsamkeit. Man könnte denken, „mit der Tochter stimmt was nicht, die lacht ja ziemlich seltsam, die ist doch nicht normal“. Das würde natürlich ein schlechtes Licht auf die Familie werfen und wer will seiner Familie das schon antun? Also passt man sich an.
Die starken Konservierungsstoffe, mit denen man die wegweisenden Bräuche erhalten hat, können bei nachfolgenden Generationen aber zu allergischen Reaktionen führen. Konservierungsstoffe, die Lebensmitteln zu lang anhaltender Frische verhelfen sollen, bergen die Gefahr, sich krebserregend auszuwirken.

So ungefähr verhält es sich bei denen, die zwischen zwei Kulturen aufwachsen. Wer eine Erziehung genießt, die sich nach jahrhundertealten Traditionen richtet, hat stets mit Sinnverlusten zu kämpfen. Die Konventionen, die unser Leben mit Sinn erfüllen sollen, erweisen sich als leere Formeln, als tradierte Überzeugungen, die in der Regel nicht hinterfragt werden dürfen. Doch was passiert, wenn man wissen will, wer die Regeln vorgibt, nach der sich so viele Menschen richten und auf deren Grundlage sie ihre Kinder erziehen. Demjenigen, der nachhakt, warum es diese Regeln gibt, gilt mein herzliches Beileid.

Letztlich tragen Kinder hier den Ängsten ihrer Eltern Rechnung: Einerseits sollen sie die zukünftigen Wächter der Tradition sein, auf der anderen Seite wollen sie selbstbestimmt, frei und selbstsicher leben und zwar in dem Land, in dem sie von anderen als „Deutsche mit Migrationshintergrund“ bezeichnet werden. Manchmal sind sie Deutschtürken, manchmal deutsche Mitbürger türkischer Herkunft und neuerdings werden sie auch Neu-Deutsche genannt. Es gibt also jede Menge Bezeichnungen, die unsere Identität retten können, dem Herrgott sei Dank!

Wir sind so vieles, anscheinend nur nicht Deutsche, schlicht und ergreifend „Deutsche“. Bezeichnungen können sehr hilfreich sein, um Menschen zu klassifizieren und genauso fühlt es sich an, wenn man als Deutsche mit Migrationshintergrund bezeichnet wird, wenn einem ein Hintergrund zugeschrieben wird. Als Betroffener denkt man sich hin und wieder: „Ich bin doch gar nicht emigriert. Der einzige Weg, den ich nach der Geburt auf mich genommen habe, war die Fahrt vom Krankenhaus nach Hause.” Man tituliert hier also Menschen, deren Eltern oder Vorfahren aus einem fremden Land aus- und hier eingewandert sind. Doch inwieweit sich jemand, der hier in diesem Land das Tageslicht erblickt hat, überhaupt mit dem Land seiner Vorfahren identifiziert, ist sekundär. Merkt man nicht, dass diese Menschen unter denselben Umständen arbeiten, studieren, Steuern zahlen, die Zukunft dieses Landes formen. Wann akzeptiert man, dass Hasan und Günther, die bei Mercedes am Fließband arbeiten, mehr gemein haben, als Günther und Manfred, der sich als Finanzexperte alle paar Monate eine Auszeit mit seiner Familie in den schönsten Ländern der Welt gönnt? Und dass sich Hasan genauso sehr auf sein Feierabendbierchen freuen kann wie Günther?

Seit einigen Jahren wird hitzig über Integration debattiert. Es heißt immer wieder, Einwanderer verweigerten die Integration. Aber wer kann die Bedeutung von Integration genau definieren. Wie lauten die Parameter, an denen wir Integration messen wollen?

Dies ist kein Kommentar über misslungene Integration, das ist zumindest nicht die Intention meines Beitrags. Doch dass etwas mächtig schiefgelaufen zu sein scheint in Punkto Integration, steht außer Frage. Allerdings möchte ich abschließend folgendes kundtun: In einem Land, in dem der sogenannte  Hintergrund eines Menschen so stark im Vordergrund steht, möchte ich nicht zu den Einheimischen gehören.

„My heartbeat paves a way

I don’t really need to get away

I can be happy and stay

Cuz I belong home”

(Sinaan El Haq Hadjeri)

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Heimat, bittersüße Heimat. https://www.media4us.de/wp/2012/12/12/heimat-bittersuse-heimat/ https://www.media4us.de/wp/2012/12/12/heimat-bittersuse-heimat/#comments Wed, 12 Dec 2012 13:19:27 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1068 Esther Donkor hat sich das Stück „Heimat, bittersüße Heimat“ im Rahmen der Ausstellung "Homestory Deutschland" angesehen. Die Inszenierung, die zwischen politischer Satire, Theater und szenischer Lesung changiert, handelt vom Anderssein und vermittelt ein Stück bundesrepublikanischer Wirklichkeit. Eine Kritik.]]>

von Esther Donkor

„Entschuldigen Sie junge Frau, dass ich Sie anspreche, aber ich wollte Ihnen nur sagen:  Ich bin ja begeistert! Wie tadellos Sie Deutsch sprechen – weiter so!  Ach Sie sind Deutsche? Afro-Deutsche? Also eine farbige Deutsche, sozusagen? Also farbig UND deutsch, beides zur gleichen Zeit?
Und Sie studieren Operngesang? Das ist ja toll! – obwohl Ihnen ja wahrscheinlich der Jazz mehr im Blut liegt…“.

Bild aus der Ausstellung “Homestory Deutschland“

Manchmal wünscht man sich eine Fernbedienung. Mit der Mute-Funktion könnte man für einen Augenblick Ruhe sorgen, aufatmen, sich normal fühlen. Auch wenn es nett gemeint ist, weltoffen und tolerant: Es nervt. Leute, die Afrika für ein ganz tolles Land halten. Leute, die ihr „Deutsch-Sein“ langweilig und das „Exotische“ viel interessanter finden. Leute, die ja nur neugierig sind und dir vorwerfen, du seist viel zu empfindlich. Ja, sie nerven oft genauso sehr wie die Neo-Nazis, die einen zu Schnitzeln verarbeiten wollen und die vermeintlichen „Gutmenschen“, die in entscheidenden Momenten ihre Zivilcourage verlieren.

„Heimat, bittersüße Heimat“ heißt das Theaterstück, das genau mit diesen Themen spielt. Inszeniert vom Berliner Theater-Ensemble „Label Noir“, habe ich es mir im Rahmen der Ausstellung „Homestory Deutschland“ in Köln angesehen. „Label Noir“ gibt es seit 2007. Die Besetzung besteht aus einer Gruppe professioneller, afrodeutscher Schauspielerinnen und Schauspielern, die mich und die anderen Besucher des Stücks mit einem Mix aus Theater-Szenen, Film-Clips, Stand-Up und Improvisation schwer begeisterten und zu neuen Denkansätzen bewegten. Was wäre zum Beispiel, wenn nicht Europa für Afrika, sondern Afrika für Europa Spendenaktionen starten müsste? Katja Ebsteins Schlager-Hit „Ein Indiojunge aus Perú“ müsste textlich angepasst werden. Anstatt „Ein Indiojunge aus Perú, der will leben so wie Du. Er will leben, doch die Türen bleiben zu“ hieße es dann „Weißer Junge aus Karlsruh‘, will leben so wie du“. Performt von einer afrikanischen Tanzgruppe, die das Publikum mit ihrem Song dazu aufruft, für das arme Europa zu spenden.

„Heimat, bittersüße Heimat“ bespielt jedoch nicht nur das Afrodeutschsein. Das Anderssein im Allgemeinen wird portraitiert und das fesselt bis zur letzten Minute. Gerne zitiere ich die Beschreibung des Stücks auf der Internetseite von „Label Noir“, denn besser kann es eigentlich nicht gesagt werden:

Irgendwo zwischen politischer Satire, Theater und szenischer Lesung inszenieren sie ein kleines Stückchen bundesrepublikanischer Wirklichkeit. Bizarr, absurd, traurig, komisch, ärgerlich und auf dem Wege der Besserung. Am Ende ahnt man, dass es noch Zeit, noch einige Zeit dauern wird, bis Deutschland versteht, dass die in Deutschland lebenden Menschen – deutsch sind. Egal welche Hautfarbe, welchen Akzent, welche Herkunft und welche Bildung sie haben. Einfach deutsch Sein. Warum wir immer noch darauf warten müssen?“

Das Stück hat sehr zu der Austellung „Homestory Deutschland“ gepasst. Im deren Rahmen wurden die Biografien von 27 Schwarzen deutschen Persönlichkeiten aus drei Jahrhunderten präsentiert. Vom 18. Jahrhundert bis heute gab es stets Afrodeutsche in unserem Land. Wie sie ihr Leben hier gemeistert, wie sie gelitten und wie sie gelebt haben, wird im Rahmen von „Homestory Deutschland“ deutlich. Das ist wichtig – nicht nur für Afrodeutsche, sondern für alle, die in unserem Land leben. In Köln ist die Ausstellung leider erfolgreich zu Ende gegangen. Vom  23. Januar bis 22. Februar 2013 findet sie jedoch in Nürnberg statt. Und ich kann jedem nur empfehlen, sie zu besuchen.

 

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„Selbstbestimmung ist ein starkes Wort“ https://www.media4us.de/wp/2012/11/14/selbstbestimmung-ist-ein-starkes-wort/ https://www.media4us.de/wp/2012/11/14/selbstbestimmung-ist-ein-starkes-wort/#comments Wed, 14 Nov 2012 09:25:59 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=915 Bersant Deva ist Informatikstudent aus Berlin mit kosovarischen Wurzeln. Mimoza Troni hat ihn getroffen und mit ihm gesprochen. Über „die Geschichte seiner Eltern“, über Apps, mit denen man Nachrichten an Orte statt an Menschen verschickt und sein politisches Engagement in 2000km Entfernung. Ein Porträt.]]>

von Mimoza Troni

Bersant Deva ist Informatikstudent aus Berlin mit kosovarischen Wurzeln, der uns einen Einblick in sein Leben gibt: Er erzählt von „der Geschichte seiner Eltern“, von Apps, mit denen man in Zukunft Nachrichten an Orte statt an Menschen verschickt und sein politisches Engagement in 2000km Entfernung. Ein Porträt.

Er ist etwas über 1,80m groß, hat braunes Haar und trägt meistens ein schüchternes Lächeln auf den Lippen. Aber wenn Bersant lacht, heißt das noch lange nicht, dass er sich auch freut.

© Privat / Bersant Deva

Ein Berliner mit Lokalpatriotismus

Dieses Lächeln kann auch Skepsis vermitteln, besonders wenn wir über Integration in Deutschland reden und über das „gescheiterte Multikulti“, wie es Merkel vor zwei Jahren formuliert hat. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wo diese Politiker ihre Annahmen herhaben“, sagt er und ergänzt, dass das Innovationslabor der Telekom, wo er als studentische Hilfskraft arbeitet, das beste Beispiel für ein multikulturelles Miteinander sei, denn „die Hälfte der Mitarbeiter sind nicht deutsch und der Großteil spricht Englisch.“ Integration hätte aber besser laufen können, sagt Bersant und nennt Kanada, das eine kontrollierte Migration verfolgt, als Beispiel. „Da hat Deutschland einen großen Nachholbedarf“ und müsste die aktuellen Migranten besser fördern. Es sei schließlich dieser multikulturelle Charakter, der insbesondere Berlin auszeichnet, fährt er fort – wieder mit diesem Lächeln, diesmal, weil er wohl weiß, was er als Nächstes sagen wird: Seit 23 Jahren lebe er in Berlin und wenn er nach seiner Identität gefragt wird, dann sei er zu erst einmal Berliner. „Auch wirklich Berliner und mit diesem Lokalpatriotismus versehen.“

„Es ist die Geschichte meiner Eltern“

In Deutschland jedoch wird er nicht oft nach seiner Identität gefragt. „Das habe ich eher in den USA erlebt“, erzählt Bersant. Dort hat er ein Auslandssemester an der Universität in Massachusetts absolviert. Auf die Frage nach der Identität antwortet er in der Regel, dass er in Berlin lebt und studiert, aber ursprünglich aus dem Kosovo kommt. 1989 stellte die damalige jugoslawische Regierung seinen Vater als Albanisch-Lehrer in Berlin ein, damit die Teilnehmer eines Rückintegrationsprogramms die albanische Sprache nicht verlernten. Nachdem die Unruhen im Kosovo begannen und die jugoslawische Regierung unter Milosevic die albanische Bevölkerung aus dem öffentlichen Dienst ausschloss, blieben sie hier. Das sei aber „eher die Geschichte meiner Eltern und ich war einfach nur Kind“, sagt er heute.

Eine Nachricht für den Ernst-Reuter-Platz

Sein Leben heute dreht sich gerade um seine Masterarbeit. Darin geht es um locations dependent messaging, das sind Dienste, die einen Aufenthaltsort bestimmen. Bersant aber beschäftigt sich vorrangig damit, wie man zukünftig Nachrichten an Orte anstelle von Menschen verschicken wird. In Bersants Worten heißt das: „Wir sind gerade in der Nähe des Ernst-Reuter-Platzes, also schickt man eine Nachricht an den Ernst-Reuter-Platz und jeder, der sich für diesen Ort interessiert oder gerade hier ist, erhält diese Nachricht.“ Solche Nachrichten könnten vor allem für Erstsemester wertvoll sein, „denn wenn sie in ein Gebäude gehen, erfahren sie, in welchem Raum welche Vorlesung stattfindet.“

In der Nähe des Ernst-Reuter-Platzes, hinter der Marchbrücke, befindet sich sein Büro. Darin befinden sich eine kleine Sitzecke und drei Schreibtische, an den Wänden kleben vereinzelt kleine Poster, auf seinem Schreibtisch liegt ein bunter Notizblock, sehr klein, dennoch einer der wenigen Farbtupfer in diesem Raum. Hier erzählt er mir auch, dass er sich schon immer für Politik interessiert hat. Mit 14 hat er bereits das politische Wochenmagazin Der Spiegel abonniert. Die deutsche Tages- und Lokalpolitik beschäftigt ihn, aber stört ihn auch, beispielsweise weil „das große Berlin und Brandenburg nicht in der Lage sind, einen Flughafen zu bauen.“

Ohne Selbstbestimmung, keine Selbstverantwortung

Auch in der kosovarischen Politik gibt es viel, das ihn stört: Das ehemalige Staatseigentum werde „rausgehauen“, denn die Leute, die gerade in der Regierung sind, wollen sich möglichst viel Geld „unter den Nagel zu reißen“. Wenn er von diesen Dingen erzählt, wird seine ruhige Stimme etwas kräftiger, stärker, vorwurfsvoller. Diese Wut ist es, aus der sein Engagement für die politische Bewegung Bewegung Vetëvendosje! (Selbstbestimmung!) entspringt. „Um es mit Joachim Gaucks Worten zu sagen“, fährt er auf einmal fort, reibt sich die Stirn und überlegt noch einmal, wie Gaucks Aussage genau lautete. Nämlich: „Nur bei der Annahme von Selbstbestimmung kann es auch Selbstverantwortung geben.“ Es ist nicht das einzige Mal, dass er deutsche Politiker zitiert und auf den Kosovo Bezug nimmt. Es scheint selbstverständlich, dass diese zwei Welten für ihn zusammengehören.

Eine ‘68er Bewegung für den Kosovo

Ganz kritikfrei ist allerdings auch Vetëvendosje! nicht. Der Bewegung wird vorgehalten, dass es bei Demonstrationen immer wieder zu Ausschreitungen kommt. „Ich will das nicht schönreden“, sagt Bersant, aber für ihn sind Demonstrationen und Proteste „legitime Mittel, die unsere demokratischen Strukturen zusammenhalten.“ Außerdem sei sie den deutschen Studentenbewegungen von 1968 ähnlich, da auch Vetëvendosje! die „Strukturen des Polizeistaates“ aufbrechen will, die sie seit dem Krieg etabliert sieht. Er streckt die rechte Hand in Richtung Tisch aus und lässt sie an der Tischkante entlang streifen, überlegt kurz und sagt schließlich: „Selbstbestimmung ist ein starkes Wort.“ Das ist die zentrale Forderung dieser Bewegung, die weder der „korrupten Regierung“, noch der internationalen Gemeinschaft, die im Kosovo für rechtsstaatliche Strukturen sorgen soll, zugesteht, dem kosovarischen Volk vorzuschreiben, wie der Kosovo aussehen soll.

Für den Kosovo wünscht sich Bersant einen Umbruch, weil es noch zu viel gibt, was „nicht funktioniert.“ Er hofft, dass die nächsten Wahlen „in eine richtige Richtung ausschlagen“ und meint wohl mehr Stimmen für diese Bewegung, die erst seit 2010 im Parlament vertreten ist, aber seit 2005 besteht. An der Spitze des Kosovos soll eine kompetente und fähige Regierung stehen, sagt er, deshalb sei er der politischen Opposition beigetreten. „Wenn wir keinen Beitrag leisten, wer dann?“. Diese Frage versieht er wieder mit einem Lächeln und diesmal ist auch sein Blick freundlich.

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Gemeinsamkeiten, nicht Unterschiede https://www.media4us.de/wp/2012/09/05/gemeinsamkeiten-nicht-unterschiede/ https://www.media4us.de/wp/2012/09/05/gemeinsamkeiten-nicht-unterschiede/#comments Wed, 05 Sep 2012 11:53:06 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=807 Warum wird so viel über Schuld geredet, wenn es um Integration geht? Dass sich das Zusammenleben der Religionen und Kulturen oft viel positiver gestaltet, als von den Medien behauptet, das hat Ferhat Epik beobachtet. Wie könnte die Debatte aussehen, wenn man nicht ständig nur Probleme benennen will? Ein Kommentar. ]]>

Ein Kommentar zur Integrationsdebatte

von Ferhat Epik

Als an diesen Tagen der für die Muslime so wichtige und wertvolle Fastenmonat Ramadan zu Ende ging, die Familien sich zum Zuckerfestfrühstück trafen und die Kinder beschenkt wurden, da fiel mir als in Deutschland lebender Muslim eine große Veränderung auf. Ob ich im Fußballverein war, oder mit Freunden sprach, oder einfach im Café neue Leute traf, besonders eine Reaktion vieler Nichtmuslime überraschte mich. „Ach, du fastest? Ist denn schon Ramadan?“ oder „Zuckerfest? Wann? Bist du dann bei deiner Familie?“

Was ist daran denn auffällig, werden sich viele denken. Tatsache ist aber, dass fernab der leidigen Integrationsdebatte und der Frage, ob und wie der Islam zu Deutschland gehörte, die Gesellschaft diesen Diskussionen einen Schritt voraus zu sein scheint. Noch vor einigen Jahren waren diese Fragen grundsätzlicher Natur. Was ist Ramadan? Warum fasten die Muslime an Ramadan?

Inzwischen scheint zumindest ein grundsätzliches Wissen diesbezüglich vorhanden zu sein. Und nicht nur das. Vielerorts werden große gemeinsame Fastenbrechen veranstaltet, an denen viele Nichtmuslime teilnehmen. Vereine und andere Gemeinschaften wie Beiräte und politische Institutionen tun dies ebenso.

Interkulturelles und -religiöses Fastenbrechen in Mainz. Gemeinsames Spenden für Menschen in Not. Foto: Ferhat Epik

Warum wird daran nicht angeknüpft ?

Wir führen in Deutschland seit Jahren die falsche Debatte und das auf falsche Art und Weise. Integration hat weder gestern angefangen, noch wird sie morgen aufhören. Geprägt von Intoleranz auf der einen, Egoismus auf der anderen und Schuldzuweisungen auf beiden Seiten, führen wir seit Jahren eine mediale Scheindebatte sondergleichen. Dabei wird immer die falsche Frage gestellt und die falsche Antwort gegeben: Wer ist Schuld?

Diese endlosen Diskussionen der Schuldfrage führen allesamt ins Nichts. Das wird ja wohl nicht nur mir aufgefallen sein, oder? Nein, ist es auch nicht. Doch mit eben dieser endlosen Diskussion lässt sich endlos Geld verdienen. Nicht nur Boulevardzeitungen schwimmen auf der Welle mit, wenn sie von „Ehrenmorden“ oder „Zwangsheirat“ berichten. Auch die öffentlich-rechtlichen mischen sehr viel Gift in die Debatte, wenn sie einigen Extremisten, die sich als Experten ausgeben, die Bühne bieten. Wenn sich dabei auch noch Ökonomen zu Wort melden und Bücher schreiben, die Millionen von Menschen verunglimpfen und damit Millionäre werden, dann ist das Dilemma komplett.

Wir benennen seit Jahren nur Probleme. Keine Lösungen. Keine Auswege. Warum? Weil es keinen Masterplan für Integration gibt und geben kann. Wir sind halt einfach Menschen. Individuell und vielfältig sozialisiert. Wir dürfen uns nicht weiter mit Splittergruppen und Giftmischern aufhalten, sondern müssen die positiven Signale des Zusammenlebens beleuchten, und an diesem weiter feilen. Wir werden die Probleme nicht sofort lösen können. Doch mit konstruktiver Kritik und etwas mehr Verständnis füreinander ist unsere Zukunft nicht so düster, wie in manchen Medien dargestellt wird.

 

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Kaputte Schublade https://www.media4us.de/wp/2012/07/02/kaputte-schublade/ https://www.media4us.de/wp/2012/07/02/kaputte-schublade/#comments Mon, 02 Jul 2012 15:03:26 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=140 Schwarz soll ich sein und mich auch so nennen. So wurde es beschlossen. Aber wann fängt Schwarz an und wann hört Weiß auf? Ein Essay von Esther Donkor über Schubladendenken, Erwartungen und Klischees. Und darüber, dass so was wie "Heimat" ziemlich kompliziert sein kann.]]>

von Esther Donkor

Nachwuchsjournalistin Esther Donkor, Foto: © privat

Fünf Tage London, Camden Town. Baden in einer Masse verschiedener Kulturen.

Wohlfühlen. Fremd sein. Eine andere Sprache, andere Eindrücke. Nachts völlig müde ins Bett fallen und schlafen. Hier bin ich „Ausländerin“. Ausgeschlossen fühle ich mich nicht. Ob es daran liegt, dass ich nur einige Tage dort war, weiß ich nicht.

Zurück in Deutschland. Die Stewardessen verabschieden die Passagiere. „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen“. Als ich an der Reihe bin das Flugzeug zu verlassen, heißt es wie selbstverständlich „Good Bye“.

In London schalte ich den Fernseher ein und sehe schwarze Moderatorinnen. Schwarze nehmen an Gameshows teil. Asiaten, Inder, Pakistani, Juden…Im Fernsehen sind ihre Rollen nicht auf die zu ihrer „Herkunft“ und Hautfarbe passenden Stereotypen abgestimmt. Wehmütig denke ich an meine heimatlichen Fernseh- und Schauspielerfahrungen. Ich liebe die Schauspielerei. Doch die Rollen, die ich in Deutschland angeboten bekomme…

„Wir haben noch die Rolle einer Afrikanerin zu vergeben. Story: Sie ist mit einem Bayern verheiratet, spricht kaum deutsch und lebt in einem bayrischen Urdorf. Der Schwiegervater ist Nazi und vergewaltigt sie. Sie stößt ihn die Treppe runter und will zurück nach Afrika.“

„Für unser Stück suchen wir noch eine Dienerin. Du musst nicht viel machen, aber du passt so in das Bild dieser Figur. Kannst du einspringen?“

„Wir brauchen noch Inder. Biste zwar nicht, aber das passt schon. Wir kleben dir einen roten Punkt auf die Stirn und dann… Ist ja im Grunde das Gleiche.“

Eine herbe Enttäuschung. Als Teenager war mir das alles egal. Hauptsache ins Fernsehen. Je älter ich jedoch wurde, desto bitterer wurde der Beigeschmack.

Wenn ich in London sage, wo ich herkomme, heißt es: „Oh, Germany? There are many Nazis, isn’t it? I don’t really like Germans, the way they speak…The language is so hard. “

In London war es schön und ich habe meine Zeit dort sehr genossen. Solche Worte lassen mein Herz jedoch oft schneller schlagen. Dann protestiere ich. Nicht nur, weil ich unter anderem Deutsch studiere. „Germany is not bad! It is my home country!“

Ich verteidige meine Heimat im Ausland. Trotzdem fühle ich mich Zuhause oft fremd.
Mischling. So bezeichne ich mich sogar selber. Beziehungsweise, so bezeichnete ich mich. Heute herrscht bei der Bezeichnung dessen, was ich bin, auch bei mir große Erklärungsnot. Von Menschenrechtlern und in Ethikkursen wurde mir eingebläut, wie verächtlich das ist. Mischling. „Du bist doch kein Hund!“. Ja das stimmt schon. Dass ich nicht farbig bin, leuchtet mir auch ein. Schließlich kann ich an meinem Körper nirgends auch nur eine Regenbogenfarbe entdecken, außer am Daumen, der im Moment blau ist von der Tinte, die aus meinem Kugelschreiber ausgelaufen ist.

Schwarz soll ich sein und mich auch so nennen. So wurde es beschlossen.
Noah Sow spricht für mich in „Schwarz Weiß“.
Das meiste, was in den Büchern steht, ist richtig und gut. Es soll die Menschen aufklären und ihre Augen öffnen. Sie sensibilisieren. „Die meisten wollen einfach Schwarz genannt werden und nicht irgendetwas anderes und fertig!“.
Nach meiner Meinung wurde ich jedoch nie gefragt.
Ich bin nicht Schwarz, aber auch nicht Weiß. Ich weiß noch nicht einmal für was diese Begriffe stehen sollen. Auf was soll sich Schwarz und Weiß beziehen? Auf die Hautfarbe? Oder soll es doch bestimmte Eigenschaften und Stereotype ausdrücken, die mit der Optik einhergehen? Schwarz und Weiß. Zwei Seiten, die ja so verschieden sind. Ich glaube, dann wäre ich doch lieber weder noch.

Wann fängt Schwarz an und wann hört Weiß auf?
Mit der Kultur meines Vaters verbindet mich kaum etwas. Leider.
Ich bin nicht ghanaisch.
Ich bin nicht Schwarz. Oder?
In der deutschen Kultur bin ich aufgewachsen.
Ich bin deutsch.
Aber ich bin nicht Weiß. Oder?
Trotzdem.
Es wurde über meinen Kopf hinweg entschieden.

Und jetzt soll ich also Schwarz sein. Ungefragt. Komplizierte Welt.
Bei einem Vorstellungsgespräch wurde ich doch tatsächlich einmal gefragt: „Sprechen Sie überhaupt fließend Deutsch?“. Es war nach der Begrüßung die erste Frage, die mir gestellt wurde. Mein Entsetzen versetzte meine Schlagfertigkeit damals in eine Schockstarre, so dass ich mich noch heute darüber ärgere, nichts Originelles geantwortet zu haben.

Immer wieder fragen die Leute mich nach Stimme und Rhythmusgefühl. Meine Stimme ist Durchschnitt und ich bin ein choreografischer Analphabet. Trotzdem heißt es immer mal wieder: „Du musst doch gut singen können und tanzen. Sing doch mal was? Warum denn nicht? Jetzt mach doch, du musst das doch können. Shake your ass! Das habt ihr doch im Blut!“

Und es kotzt mich immer wieder an. Dieses Schubladendenken.
Als Tochter einer Europäerin und eines Afrikaners wird man leicht in die eine oder andere Schublade gesteckt. Doch mache ich selber es besser? Kann ich mich freisprechen? Ich denke nicht. Meine inneren Schubladen müssten mit Sicherheit auch mal zum TÜV. Oder vielleicht doch ganz ausgebaut werden?

Ich gehe schnell davon aus, dass Menschen, die nicht auf den ersten Blick „deutsch“ aussehen, die deutsche Sprache nicht so gut verstehen. Dann werde ich oft automatisch langsamer, einfacher wenn ich mit diesen „Ausländern“ spreche. Foreigner Talk heißt das. Oder auch sprechen im Ausländerregister. Das habe ich in der Uni gelernt. Und auch, wenn ich es weiß, ertappe ich mich immer wieder dabei.

Wenn mich jemand auf meine Haare anspricht und sie sogar anfassen will, ist mir das unangenehm. „Kannst du die denn kämmen?“, „Die sind doch schwer zu bändigen, oder?“. Wenn ich dann mal andere „Gleichgesinnte“ mit prachtvollen Mähnen auf der Straße sehe, überkommt mich selber manchmal das Verlangen in die Haarpracht zu fassen.

Mein Freund ist blond. Strohblond mit blauen Augen. Ich könnte mir auch gar nicht vorstellen jemals einen Freund zu haben, der mir optisch ähnelt. „Latinos stehen doch auch auf Blondinen!“ Gegensätze ziehen sich an. In das Klischee passe ich rein.

Bei mir fremden Speisen muss ich mich lange überwinden, bevor ich sie probiere und es gibt Menschen, die mir nicht sympathisch sind obwohl ich sie nicht kenne und nur allgemeine Images und Vorurteile über sie im Kopf habe.

Ich liebe Hip Hop und Creolen-Ohrringe. Liebe es dann in ein Klischee zu passen. Mich in dieser Schublade vollends auszubreiten und sie auszuleben. An anderen Tagen trage ich meine Brille und höre Clueso. Mainstream-Alternative.

Auch ich denke in Schubladen.
Meist unbewusst. Aber ich tue es und beschwere mich trotzdem über Zustände, die mir im alltäglichen Leben widerfahren. Dabei hebe ich mich durch mein eigenes, unabsichtliches Schubladendenken nicht sonderlich von der großen Masse ab.

„Die Identitätskrise fing an so mit 13, ich kann mich bis heut’ nicht zwischen WuTang und Metallica entscheiden“, heißt es in einem K.I.Z. Song.

Vielleicht möchte ich das auch gar nicht. In irgendeine Schublade passen. Und ich denke, darin liegt die Gemeinsamkeit die wir fast alle haben, auch wenn wir alle das eine oder andere Mal unsere inneren Schubladen öffnen.

erschienen auf www.krauselocke.de

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