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Jul 022012
 

von Esther Donkor

Nachwuchsjournalistin Esther Donkor, Foto: © privat

Fünf Tage London, Camden Town. Baden in einer Masse verschiedener Kulturen.

Wohlfühlen. Fremd sein. Eine andere Sprache, andere Eindrücke. Nachts völlig müde ins Bett fallen und schlafen. Hier bin ich „Ausländerin“. Ausgeschlossen fühle ich mich nicht. Ob es daran liegt, dass ich nur einige Tage dort war, weiß ich nicht.

Zurück in Deutschland. Die Stewardessen verabschieden die Passagiere. „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen“. Als ich an der Reihe bin das Flugzeug zu verlassen, heißt es wie selbstverständlich „Good Bye“.

In London schalte ich den Fernseher ein und sehe schwarze Moderatorinnen. Schwarze nehmen an Gameshows teil. Asiaten, Inder, Pakistani, Juden…Im Fernsehen sind ihre Rollen nicht auf die zu ihrer „Herkunft“ und Hautfarbe passenden Stereotypen abgestimmt. Wehmütig denke ich an meine heimatlichen Fernseh- und Schauspielerfahrungen. Ich liebe die Schauspielerei. Doch die Rollen, die ich in Deutschland angeboten bekomme…

„Wir haben noch die Rolle einer Afrikanerin zu vergeben. Story: Sie ist mit einem Bayern verheiratet, spricht kaum deutsch und lebt in einem bayrischen Urdorf. Der Schwiegervater ist Nazi und vergewaltigt sie. Sie stößt ihn die Treppe runter und will zurück nach Afrika.“

„Für unser Stück suchen wir noch eine Dienerin. Du musst nicht viel machen, aber du passt so in das Bild dieser Figur. Kannst du einspringen?“

„Wir brauchen noch Inder. Biste zwar nicht, aber das passt schon. Wir kleben dir einen roten Punkt auf die Stirn und dann… Ist ja im Grunde das Gleiche.“

Eine herbe Enttäuschung. Als Teenager war mir das alles egal. Hauptsache ins Fernsehen. Je älter ich jedoch wurde, desto bitterer wurde der Beigeschmack.

Wenn ich in London sage, wo ich herkomme, heißt es: „Oh, Germany? There are many Nazis, isn’t it? I don’t really like Germans, the way they speak…The language is so hard. “

In London war es schön und ich habe meine Zeit dort sehr genossen. Solche Worte lassen mein Herz jedoch oft schneller schlagen. Dann protestiere ich. Nicht nur, weil ich unter anderem Deutsch studiere. „Germany is not bad! It is my home country!“

Ich verteidige meine Heimat im Ausland. Trotzdem fühle ich mich Zuhause oft fremd.
Mischling. So bezeichne ich mich sogar selber. Beziehungsweise, so bezeichnete ich mich. Heute herrscht bei der Bezeichnung dessen, was ich bin, auch bei mir große Erklärungsnot. Von Menschenrechtlern und in Ethikkursen wurde mir eingebläut, wie verächtlich das ist. Mischling. „Du bist doch kein Hund!“. Ja das stimmt schon. Dass ich nicht farbig bin, leuchtet mir auch ein. Schließlich kann ich an meinem Körper nirgends auch nur eine Regenbogenfarbe entdecken, außer am Daumen, der im Moment blau ist von der Tinte, die aus meinem Kugelschreiber ausgelaufen ist.

Schwarz soll ich sein und mich auch so nennen. So wurde es beschlossen.
Noah Sow spricht für mich in „Schwarz Weiß“.
Das meiste, was in den Büchern steht, ist richtig und gut. Es soll die Menschen aufklären und ihre Augen öffnen. Sie sensibilisieren. „Die meisten wollen einfach Schwarz genannt werden und nicht irgendetwas anderes und fertig!“.
Nach meiner Meinung wurde ich jedoch nie gefragt.
Ich bin nicht Schwarz, aber auch nicht Weiß. Ich weiß noch nicht einmal für was diese Begriffe stehen sollen. Auf was soll sich Schwarz und Weiß beziehen? Auf die Hautfarbe? Oder soll es doch bestimmte Eigenschaften und Stereotype ausdrücken, die mit der Optik einhergehen? Schwarz und Weiß. Zwei Seiten, die ja so verschieden sind. Ich glaube, dann wäre ich doch lieber weder noch.

Wann fängt Schwarz an und wann hört Weiß auf?
Mit der Kultur meines Vaters verbindet mich kaum etwas. Leider.
Ich bin nicht ghanaisch.
Ich bin nicht Schwarz. Oder?
In der deutschen Kultur bin ich aufgewachsen.
Ich bin deutsch.
Aber ich bin nicht Weiß. Oder?
Trotzdem.
Es wurde über meinen Kopf hinweg entschieden.

Und jetzt soll ich also Schwarz sein. Ungefragt. Komplizierte Welt.
Bei einem Vorstellungsgespräch wurde ich doch tatsächlich einmal gefragt: „Sprechen Sie überhaupt fließend Deutsch?“. Es war nach der Begrüßung die erste Frage, die mir gestellt wurde. Mein Entsetzen versetzte meine Schlagfertigkeit damals in eine Schockstarre, so dass ich mich noch heute darüber ärgere, nichts Originelles geantwortet zu haben.

Immer wieder fragen die Leute mich nach Stimme und Rhythmusgefühl. Meine Stimme ist Durchschnitt und ich bin ein choreografischer Analphabet. Trotzdem heißt es immer mal wieder: „Du musst doch gut singen können und tanzen. Sing doch mal was? Warum denn nicht? Jetzt mach doch, du musst das doch können. Shake your ass! Das habt ihr doch im Blut!“

Und es kotzt mich immer wieder an. Dieses Schubladendenken.
Als Tochter einer Europäerin und eines Afrikaners wird man leicht in die eine oder andere Schublade gesteckt. Doch mache ich selber es besser? Kann ich mich freisprechen? Ich denke nicht. Meine inneren Schubladen müssten mit Sicherheit auch mal zum TÜV. Oder vielleicht doch ganz ausgebaut werden?

Ich gehe schnell davon aus, dass Menschen, die nicht auf den ersten Blick „deutsch“ aussehen, die deutsche Sprache nicht so gut verstehen. Dann werde ich oft automatisch langsamer, einfacher wenn ich mit diesen „Ausländern“ spreche. Foreigner Talk heißt das. Oder auch sprechen im Ausländerregister. Das habe ich in der Uni gelernt. Und auch, wenn ich es weiß, ertappe ich mich immer wieder dabei.

Wenn mich jemand auf meine Haare anspricht und sie sogar anfassen will, ist mir das unangenehm. „Kannst du die denn kämmen?“, „Die sind doch schwer zu bändigen, oder?“. Wenn ich dann mal andere „Gleichgesinnte“ mit prachtvollen Mähnen auf der Straße sehe, überkommt mich selber manchmal das Verlangen in die Haarpracht zu fassen.

Mein Freund ist blond. Strohblond mit blauen Augen. Ich könnte mir auch gar nicht vorstellen jemals einen Freund zu haben, der mir optisch ähnelt. „Latinos stehen doch auch auf Blondinen!“ Gegensätze ziehen sich an. In das Klischee passe ich rein.

Bei mir fremden Speisen muss ich mich lange überwinden, bevor ich sie probiere und es gibt Menschen, die mir nicht sympathisch sind obwohl ich sie nicht kenne und nur allgemeine Images und Vorurteile über sie im Kopf habe.

Ich liebe Hip Hop und Creolen-Ohrringe. Liebe es dann in ein Klischee zu passen. Mich in dieser Schublade vollends auszubreiten und sie auszuleben. An anderen Tagen trage ich meine Brille und höre Clueso. Mainstream-Alternative.

Auch ich denke in Schubladen.
Meist unbewusst. Aber ich tue es und beschwere mich trotzdem über Zustände, die mir im alltäglichen Leben widerfahren. Dabei hebe ich mich durch mein eigenes, unabsichtliches Schubladendenken nicht sonderlich von der großen Masse ab.

„Die Identitätskrise fing an so mit 13, ich kann mich bis heut’ nicht zwischen WuTang und Metallica entscheiden“, heißt es in einem K.I.Z. Song.

Vielleicht möchte ich das auch gar nicht. In irgendeine Schublade passen. Und ich denke, darin liegt die Gemeinsamkeit die wir fast alle haben, auch wenn wir alle das eine oder andere Mal unsere inneren Schubladen öffnen.

erschienen auf www.krauselocke.de

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