Media4Us » Europa https://www.media4us.de/wp Ein weiterer WordPress-Blog Mon, 23 Feb 2015 14:22:24 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=4.2.2 Ein neuer Populismus https://www.media4us.de/wp/2013/03/11/ein-neuer-populismus/ https://www.media4us.de/wp/2013/03/11/ein-neuer-populismus/#comments Mon, 11 Mar 2013 08:58:16 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1328 Seit Wochen wird über Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien debattiert, genauer gesagt über Sinti und Roma. Nach dem Empfinden vieler Deutscher kommen sie in alarmierender Zahl, machen Kommunen unsicher und nutzen die Sozialsysteme aus. In der aufgeregten Debatte haben Sachlichkeit und Vernunft kaum eine Chance. Ein Beitrag von Isabel Merchan.]]>

von Isabel Merchan

Seit Wochen debattiert das Land über Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, genauer gesagt über Sinti und Roma. Nach dem Empfinden vieler Deutscher kommen sie in alarmierender Zahl her, machen Kommunen unsicher und nutzen die Sozialsysteme aus. In dem Positionspapier „Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien“ schreibt der Deutsche Städtetag, dass „die Balance und der soziale Friede in den Städten in höchstem Maße gefährdet“ seien und nennt enorme  Zuwanderungsraten.

Anfang März forderte Hans-Werner Sinn, Präsident des Wirtschaftsinstituts ifo, der Zuwanderung von „Armutsflüchtlingen“ aus Südosteuropa „einen Riegel vorzuschieben”. Das aber dürfte schwierig sein, denn für Bulgaren und Rumänen gilt Reisefreiheit wie für andere EU-Angehörige auch. Dass 2014 die Grenzkontrollen zu den beiden Ländern entfallen sollen, schürt die Ängste weiter, denn es gibt Prognosen, nach denen dann 120 000 bis 180 000 Menschen von dort nach Deutschland kommen könnten. Inzwischen hat Innenminister Hans-Peter Friedrich auf EU-Ebene ein Veto gegen den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien eingelegt.

In der aufgeregten Debatte haben Sachlichkeit und Vernunft kaum eine Chance. Dabei betont etwa das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), dass „80 Prozent der Menschen, die seit Beginn der EU-Mitgliedschaft 2007 aus diesen beiden Ländern nach Deutschland gekommen sind, einer Erwerbsarbeit nachgehen. Von diesen sind 22 Prozent hochqualifiziert und 46 qualifiziert. Bei diesen Zuwanderern handelt es sich häufig um Menschen mit Berufen, die wir in Deutschland dringend benötigen“. Wie die Berliner Zeitung im Februar 2013 schrieb, sind rumänische Ärzte überproportional nach Deutschland eingewandert und praktizieren hier, was dazu geführt hat, dass Rumänien mittlerweile die niedrigste Arztdichte in ganz Europa hat.

Unterschlagen wird auch, dass nach Deutschland eingewanderte Rumänen und Bulgaren gar keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Das wurde bei der EU-Osterweiterung verankert, um eine „Immigration in die Sozialsysteme“ zu verhindern. Daran ändert sich auch ab 2014 nichts. Einzige Ausnahme ist das Kindergeld, das jeder EU-Bürger, der hier lebt, erhält.

Der Migrationsforscher Klaus Bade warnte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa vor hysterischen Reaktionen auf den Zuzug von Roma aus Südosteuropa und negierte gleichzeitig eine massenhafte Armutszuwanderung nach Deutschland. „Das ist Panikmache. Das ist wieder der Appell, eine negative Koalition der Abwehr statt eine positive Koalition der Gestaltung zu schaffen“, so Bade. Verständnis für die Motive von Sinti und Roma, aus ihren Herkunftsländern auszuwandern, in denen sie häufig unter großer materieller Not und Diskriminierung leiden, zeigte Joachim Brenner. Brenner ist Geschäftsleiter des Fördervereins Roma e.V. in Frankfurt am Main und betonte in einem Interview: „Die Leute kommen aus nackter Not.“

Doch Empathie sucht man in der Debatte vergebens, zu sehr fühlen sich viele Menschen offenbar bedroht. Gespannt war die Beziehung zu den Sinti und Roma schon seit ihrer Einwanderung vor etwa 600 Jahren. Das Verhältnis zu dieser größten europäischen Minderheit, die nicht nur in Südosteuropa, sondern etwa auch in Spanien, Frankreich und Deutschland lebt, schwankte stets zwischen romantischer Verklärung und brutalster Ablehnung. Über diese Ambivalenzen hat der Bielefelder Literaturwissenschaftler Klaus-Michael Bogdal 2011 das lesenswerte Buch „Europa erfindet die Zigeuner“ geschrieben. Darin zeigt er die auf Sinti und Roma bezogenen Konstruktionen von Vorurteilen auf, deren Aktualisierung man derzeit erleben kann.

Inzwischen hat sich der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in einem Schreiben an Bundespräsident Joachim Gauck gewendet. Beklagt wird darin ein neuer Populismus, der von Politikern betrieben werde. Dieser beinhalte Vorwürfe von “Betrug bei Sozialleistungen” und “Missbrauch der Freizügigkeit” bis zu “Asylmissbrauch” und “Kriminalität”. Der Zentralratsvorsitzende Romani Rose kritisiert in dem Schreiben, dass die gegen Roma und Sinti gerichteten Diskussionen aggressiv geführt würden und drohten, zum Wahlkampfthema zu werden. Im Weiteren bittet er Bundespräsident Gauck, mäßigend auf die Parteien einzuwirken.

 

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Steinbrück und was die Italiener von ihm halten https://www.media4us.de/wp/2013/03/08/steinbruck-und-was-die-italiener-von-ihm-halten/ https://www.media4us.de/wp/2013/03/08/steinbruck-und-was-die-italiener-von-ihm-halten/#comments Fri, 08 Mar 2013 08:05:43 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1304 In Italien ist es nicht leicht, zur Wahl zu gehen und am Ende das Gefühl zu haben, das Richtige getan zu haben; das ist es schon lange nicht mehr. Berlusconi hat viel zerstört, mehr, als man sich im Ausland vorstellen kann. Warum Steinbrück ihn trotz seines fragwürdigen Politikverständnisses nicht als "Clown" bezeichnen sollte, das beschreibt Valerio Montanari.]]>

von Valerio Montanari

In Italien ist es nicht leicht, zur Wahl zu gehen und am Ende das Gefühl zu haben, das Richtige getan zu haben; das ist es schon lange nicht mehr. Berlusconi hat viel zerstört, mehr, als man sich im Ausland vorstellen kann. Und Berlusconi ist nicht der erste Politiker in Italien mit einem fragwürdigen Politikverständnis: Bis 1992 war Giulio Andreotti insgesamt sieben Mal Ministerpräsident Italiens gewesen, bis er wegen Verwicklungen mit der Mafia zu 24 Jahren Haft verurteilt wurde.

In Deutschland funktioniert die Präsentation der Politik in den Medien grundsätzlich anders als in Italien (und anders als in den meisten Gegenden der Welt, wie man es auch aktuell viel in den Zeitungen liest): In Deutschland ist ein Politiker heute sofort weg vom Fenster, wenn er auch nur in den Verdacht gerät, Regeln gebrochen zu haben. Was Annette Schavan getan hat, wäre im Rest Europas bestenfalls ein Schönheitsfehler. Was Horst Köhler gesagt hat, hätte man woanders wohl kaum zur Kenntnis genommen.

Silvio Berlusconi hat eine politische Kultur ermöglicht, die in Italien inzwischen ganz normal ist, in Deutschland dagegen kaum denkbar. Politik findet in Italien in Talkshows statt, es wird nur geredet. Abgeordnete waren in der Berlusconi-Ära die Bonzen schlechthin. Vetternwirtschaft war normal, die wichtigsten politischen Faktoren waren das Aussehen und der Preis der Krawatte und man wurde Abgeordneter, um seine Rente gesichert zu sehen (in Italien war das besonders einfach, weil man nicht so lange Abgeordneter sein musste wie in Deutschland, um Anspruch auf die entsprechende Rente zu haben).


media

Berlusconi selbst ging stets mit schlechtestem Beispiel voran. Wer mitbekommen hat, wie Berlusconi eine Expertin für Solarenergie fragte, wie oft sie „komme“, konnte nur den Kopf schütteln. Deutsche Medien berichteten von dem peinlichen Auftritt. Auf die verbale Entgleisung folgte der eigenlich dreistere Teil: Am Ende des Fernsehausschnitts – hier im italienischen Original auf Youtube – bittet er die junge Dame, sich umzudrehen. Als die ihm die Bitte verwirrt erfüllt, schaut er auf ihr Gesäß und sagt zur Kamera: „Doch, ein gutes Angebot.“

Es würde lange dauern, alle Verfehlungen von Berlusconi aufzulisten. Jedenfalls ist er angeklagt, weil er die Prostitution Minderjähriger gefördert haben soll – der „Ruby“-Fall. Wenn man sich anschaut, wie sich Berlusconi zu diesem und ähnlichen Fällen geäußert hat, dann möchte man ihn am liebsten selbst ins Gefängnis stecken. Ein Zuhälter an der Staatsspitze – wie bitte?

Wieso wurde Berlusconi also immer wieder gewählt? Ihm gehören der AC Mailand, die Fernseh-Sendegruppe Mediaset und die Verlage Mondadori und Einaudi – und das sind nur die Aushängeschilder. Das ist so, als würden der Axel-Springer-Verlag, RTL und Bayern München zum Privatbesitz von Angela Merkel gehören.

Berlusconi hat die politische Landschaft alternativlos gemacht. Man kann sich nicht vorstellen, welchen Einfluss ein Politiker auf die Bevölkerung haben kann, wenn ihm solche Machtinstrumente zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass die italienische Linke traditionell zerstritten und lange Zeit politisch fast unbedeutend war. Italiener sind es nicht gewohnt, dass Wahlen irgendetwas verändern oder gar verbessern. Egal, was gewählt wurde – Berlusconi gewann immer. Selbst, als der Sozialdemokrat Romano Prodi Ministerpräsident war (2006-2008), gewann am Ende Berlusconi, weil Prodis Regierung auseinanderbrach. Neuwahlen, Berlusconi wurde wieder Ministerpräsident.

Berlusconi wurde jetzt wiedergewählt, weil er versprochen hat, das Leid der Italiener zu beenden. Natürlich waren seine Wahlversprechen hanebüchen und absurd – aber das ist, wie schon beschrieben, in Italien nichts Besonderes. Mario Monti wurde nicht mehr gewählt, weil seine Maßnahmen in den letzten Jahren hohe Arbeitslosigkeit, sinkende Kaufkraft und schwindende Perspektiven heraufbeschworen haben. Im Sinne einer europa- und letztlich italienfreundlichen Politik musste er diese Sparmaßnahmen ergreifen, und hier kommen die Deutschen ins Spiel: Das deutsche Wort hat Gewicht in Europa, weil Deutschland die stärkste Wirtschaftsmacht im Euro-Raum ist und die EU-Politik anführt. Um den Euro zu schützen, von dem Deutschland im Moment sehr profitiert, haben die Italiener das Nachsehen; so argumentieren die Populisten. Italiener, Griechen, Spanier und Portugiesen verstehen es so, dass es ihnen schlecht gehen muss, damit Deutschland profitieren kann. Sie wählen Grillo und Berlusconi, weil sie finden, dass Montis europafreundliche Politik an ihrer Lebenssituation vorbeigeht. Monti sieht nicht, dass es den Italienern schlecht geht, finden sie.

Man darf nicht vergessen, dass die Schuld für die Krisensituation nicht die Italiener tragen: nur ein Italiener ist schuld, Berlusconi. Wie in Griechenland, aber auch in Deutschland sind es die Politiker, die die politische Kultur formen, nicht die Bürger; die Bürger wählen nur, sie handeln und repräsentieren nicht. Wenn sie schon für Deutsche schuften müssen, dann ist eine respektvolle Behandlung das Mindeste, was die Italiener verlangen.

Und dann taucht ein Kanzlerkandidat der SPD auf. Er behauptete neulich, mit Grillo und Berlusconi hätten ein „Clown, der sich selbst auch so nennt“ und ein „Clown mit Testosteronschub“ die Wahl gewonnen. Man kann von Grillo und Berlusconi halten, was man will. Aber „Clown“ ist keine politische Aussage, sondern eine respektlose Bezeichnung. Steinbrück symbolisiert mit seinen Äußerungen das herablassende Gebahren eines Europas, das auf italienische Kosten vom Euro profitiert – so sehen es jedenfalls die italienischen Populisten. Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano hat wegen dieser Äußerungen das lange geplante Treffen mit dem Kanzlerkandidaten abgesagt. Hätte Steinbrück diese Dinge als Kanzler gesagt – wie unangenehm wäre die Situation wohl geworden?

Steinbrück vergisst, dass Grillo und Berlusconi ihm etwas Wesentliches voraushaben: Sie gewinnen Wahlen. Vielleicht sollte sich Steinbrück mehr wie Grillo oder Berlusconi aufführen – das könnte seine Kandidatur retten, schlechter könnte er ohnehin kaum dastehen.

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Berlin: wie eine griechische Insel? https://www.media4us.de/wp/2013/02/25/berlin-wie-eine-griechische-insel/ https://www.media4us.de/wp/2013/02/25/berlin-wie-eine-griechische-insel/#comments Mon, 25 Feb 2013 08:55:45 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1275 Immer mehr junge Südeuropäer zieht es in die deutsche Hauptstadt. Arbeit, Studium und das Leben in einer der spannendsten Städte Europas, das sind die häufig genannten Gründe für einen Umzug nach Berlin. Aber was genau hoffen die jungen Leute aus Spanien, Griechenland, Portugal und Italien hier zu finden? Tiago Mansilha hat mit vier von ihnen gesprochen.]]>

Südeuropa erlebt zur Zeit wirtschaftliche Turbulenzen, von denen ein Ende nicht abzusehen ist. Ein Großteil der jungen Menschen ist arbeitslos, für viele von ihnen stellt Berlin eine Alternative dar. Aber Arbeit ist nicht der einzige Grund für ein Leben in der deutschen Hauptstadt. Hier sind die Geschichten von Alonso, Daniele, Sara und Persefoni.

Griechenland: 58%
Spanien: 56%
Portugal: 38%
Italien: 37%

Das sind die Eurostat-Zahlen für Jugendarbeitslosigkeit (junge Menschen unter 25 Jahren) in den Ländern Südeuropas im Dezember 2012. Im Gegensatz dazu kommt Deutschland nur auf rund 8 %, es ist das einzige Land der Europäischen Union, in dem die Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zu 2008 sank.

In der Hauptstadt Berlin ist das Ambiente multikulturell, immer mehr Südeuropäer kommen hierher. 2011 stiegt laut der Süddeutschen Zeitung die Zahl der Spanier und Spanierinnen in Berlin um rund 50 % im Vergleich zum Vorjahr, die Anzahl der Griechen verdoppelte sich knapp. Arbeit, Studium und das Leben in einer der spannendsten Städte Europas, das sind die häufig genannten Gründe für einen Umzug nach Berlin. In Wirklichkeit ist die Arbeitssituation der Stadt nicht ganz so rosig im Vergleich zum Rest Deutschlands. Im Januar 2013 waren 12,2 % der Jugendlichen arbeitslos. Diese Zahl bleibt zwar deutlich unter den Arbeitslosenzahlen Südeuropas, ist in Deutschland jedoch die höchste.

Was hoffen die jungen Leute aus Spanien, Griechenland, Portugal und Italien in Berlin zu finden? Arbeit – das ist eine der Antworten, logisch. Aber es ist nicht der einzige Grund, und oft auch nicht der wichtigste.

Im Uhrzeigersinn: Daniele, Persefoni, Sara und Alonso © Tiago Mansilha

Wenn Berlin ein Zufall ist
Alonso Acosta, 28 Jahre, Spanier

“Mit 19 habe ich angefangen zu arbeiten. In Spanien war ich als Kühltechniker tätig. Ich reparierte Klimaanlagen in Einkaufszentren und Fabriken. Der Grund warum ich hier bin? Ich bin Vater geworden. Ich habe meine Partnerin, eine Deutsche, in Madrid kennengelernt. Sie wollte unsere Tochter in Deutschland bekommen, denn die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich bereits und Unterstützung für Mütter wurde so gut wie nicht mehr angeboten. Hier in Deutschland dagegen kann sie mit Hilfe des Staates unsere Tochter großziehen und weiter studieren.

In Madrid war ich in einem sehr guten Unternehmen angestellt. Ich war fast 7 Jahre lang in der Firma, ich hatte ein Auto und rechtliche Ansprüche. Eigentlich dachte ich, dass mich nichts aus Madrid weglocken könnte. Aber im Leben kommt es oft anders. Berlin war ein Zufall, ich habe es mir nicht ausgesucht. Wenn meine Partnerin Chinesin gewesen wäre, wäre ich jetzt in China. Ich werde hier bleiben, bis meine Tochter älter ist. Berlin ist eine sehr liberale Stadt und durch die Wirtschaftskrise hätte ich Angst, nach Madrid zurückzukehren, denn mein Job dort ist schon lange weg. Mein Vater ist in der Krise arbeitslos geworden, meine Mutter arbeitet momentan noch in einem Krankenhaus, aber auch sie hat Angst, ihre Arbeit zu verlieren. Diese Gefahr besteht für alle öffentlichen Angestellten, die nach 2004 eingestellt wurden.”

Berlin – Ort der Freiheit
Daniele Simocini, 25 Jahre, Italiener

“Ich habe in Italien einen Universitätsabschluss in Fremdsprachen gemacht und in drei verschiedenen Unternehmen gearbeitet. In der letzten Firma ist das Arbeitsvolumen durch die Krise stark zurückgegangen. Man hat mir so schlechte Bedingungen angeboten, dass ich mich entschloss, zu kündigen und eine Reise durch Europa zu machen. Ich kam auch nach Berlin, wo es mir so sehr gefiel, dass ich beschloss zu bleiben. Jetzt lerne ich Deutsch und arbeite in einem Restaurant. In Berlin gibt es zwar nicht viele Arbeitsoptionen, aber die Lebenshaltungskosten sind nicht sehr hoch. Ich arbeite an fünf Tagen die Woche fünf Stunden und kann meine Ausgaben decken.

In Deutschland funktioniert der Sozialstaat, in Italien nicht mehr. Die jungen Menschen haben keine Arbeit und leben bei ihren Eltern. Auch die Einstellung der Menschen ist ein Problem. Ich habe in einem kleinen Dorf gewohnt und im Vergleich dazu ist Berlin perfekt. Klar, die Tatsache, dass ich schwul bin, hat mein Leben beeinflusst. In Italien kann man nicht offen sagen “Ich bin homosexuell”. Das kann sogar gefährlich sein, besonders in Süditalien, wo viele noch konservativer sind. Ich persönlich bin schon offen mit meiner Sexualität umgegangen, aber hier in Berlin fühle ich mich viel wohler. Vor allem wegen der besseren Rahmenbedingungen: Mein Arzt etwa ist auf  Fragen im Zusammenhang mit Homosexualität und den Problemen homosexueller Paare spezialisiert. In Berlin fühle ich mich wohl.”

Berlin ist Alleinsein
Sara Cardoso, 25 Jahre, Portugiesin

“Wenn kein Schnee liegt, fahre ich immer Fahrrad. Kurz nach meiner Ankunft in der Stadt war ich nach einem Kneipenabend mit Freunden auf dem Weg nach Hause, es war ungefähr zwei Uhr morgens. Zu der Zeit war ich wie ein Schwamm, ich habe alle Eindrücke aufgesogen. Mein Weg führte direkt durchs Zentrum, vorbei am Fernsehturm, am Alten Museum und an der Humboldt-Box. Ich fand das so wunderbar, dass ich vom Fahrrad stieg und mich auf den Rasen legte. Es war zwei Uhr morgens und ich war alleine. Ich habe in den Himmel geblickt, ich habe alles um mich herum angeschaut und bin eingeschlafen. Ich habe mich sicher gefühlt, es war Nacht und ich machte, was ich wollte. Ich und mein Fahrrad. Berlin ist Alleinsein. Und manchmal ist Alleinsein eine wunderbare Sache.

Bevor ich hierher kam, habe ich meinen Schulabschluss gemacht und angefangen, in Portugal Design zu studieren. Nach drei Jahren stellte ich fest, dass das Studium nicht das war, was ich wollte, und fing an zu arbeiten, um mich selbst zu finanzieren. Zu der Zeit begann ich mit den Vorbereitungen, Lissabon zu verlassen, denn ich war an dem Unterricht, den ich in Portugal erhalten konnte, nicht interessiert. Alles, was ich in der Uni entwerfen sollte, war sehr konventionell. Wenn es eine Kopie von bereits Existierendem war, um so besser. Ich merkte, wie ich stagnierte. Wenn meine Fakultät bessere wirtschaftliche Bedingungen gehabte hätte, hätten wir vielleicht auch Parabolantennen oder Autos entwerfen können, wie es deutsche oder holländische Studenten tun. Für mich kamen mehrere europäische Städte in Betracht und ich entschied mich für Berlin, weil es billiger als London oder Amsterdam ist und weil es gute Studienbedingungen bietet. Hier kann jeder studieren. In Portugal muss ich 1.000 Euro im Jahr zahlen, ohne jegliche Unterstützung, hier zahle ich weniger und habe ein Semesterticket und bin krankenversichert.

Es ist nicht leicht, einen typischen Immigranten in Berlin zu finden. Die Leute kommen hierher, weil sie studieren oder Kunstprojekte verwirklichen möchten. Ich bin in Lissabon geboren und aufgewachsen. Ich kenne jeden Winkel, die Stadt ist klein und anstrengend. Berlin hat mir neue Möglichkeiten geboten.”

Berlin – ein Ort für alle
Persefoni Myrtsou, 26 Jahre, Griechin

“Es gibt den greifbaren Teil der Krise: die steigende Arbeitslosigkeit, die sinkenden Gehälter. Dann gibt es noch den psychologischen Aspekt, wie die Krise sich auf die Menschen auswirkt. Viele junge Menschen leiden an Depressionen, sie werden zu tatenlosen Zuschauern ihres Lebens und erheben ihre Stimmen nicht mehr. Die psychologischen Einschränkungen ist eines der größten Probleme der Krise.

Ich habe Griechenland mit 18 Jahren verlassen, um in Schottland zu studieren, vor vier Jahren kam ich nach Berlin. Heute kann ich sagen, dass Berlin mir schon das gegeben hat, was ich wollte: ich wollte ohne Studiengebühren Kunst studieren und weiter im akademischen Rahmen arbeiten. Ich war als Bildhauerin tätig, ich habe bei der Gestaltung eines ottomanischen Restaurants geholfen und nach und nach besser Deutsch gelernt, bis ich an der UdK für ein Masterstudium angenommen wurde.

Die Welt der Kunst ist in Berlin gleichzeitig klein und groß, das hängt von den Zielen des Einzelnen ab. Es gibt Künstler, die mit Galerien zusammenarbeiten möchten, und es gibt viele Galerien in der Stadt. Man muss jedoch geschickt sein, die besten Kontakte knüpfen, die richtigen Leute überzeugen und sehr gute Pressearbeit machen. Aber man findet auch viele unabhängige Gruppen, die in alternativen Räumen arbeiten, die offen sind für neue Ideen, neue Namen, neue Gesichter und neue Projekte. Es gibt viele Leute und es passiert viel. In Berlin gibt es für jeden Künstler einen Ort.
Eines der größten Probleme ist jedoch die Flüchtigkeit. Die Menschen kommen und gehen. Viele Arbeitsverträge sind auch nur befristet. Das macht die Stadt einerseits sehr “deutsch”, denn die Schlüsselstellen sind immer von Deutschen besetzt. Andererseits macht es sie zu einer griechischen Insel, auf die im Sommer die Gäste kommen, sie betrinken sich, stellen alles mögliche an, verlieren die Kontrolle und hauen dann wieder ab.”

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Immigrants become the New Media Makers https://www.media4us.de/wp/2013/01/25/immigrants-become-the-new-media-makers/ https://www.media4us.de/wp/2013/01/25/immigrants-become-the-new-media-makers/#comments Fri, 25 Jan 2013 10:58:50 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1208 Im Rahmen von media4us trafen sich Anfang Dezember 2012 im tschechischen Prag Medienmacher, Vertreter von Migrantenorganisationen und Journalisten aus Europa und den USA zum gegenseitigen Austausch. Diskutiert wurde die Rolle der Medien hinsichtlich der Partizipationsmöglichkeiten von Migranten. Ein Rückblick von Raj Jayadev von New American Media. ]]>

by Raj Jayadev, New America Media

PRAGUE, Czech Republic: Images flash on the big screen of a Vietnamese teen breakdancer shapeshifting his body while his voice narrates his life. I’ve seen these images, these movements, before back home in San Jose, Calif., but this is the first time I’ve heard a Vietnamese hip-hopper speaking Czech.

We are at the Prague Institute, where media producers and immigrant advocates from all over Europe are sharing how they are tapping into the personal story of new European communities to penetrate political, social and cultural divides.

We are here representing New America Media (NAM), which was invited to participate in the dialogue as an overseas contributor. NAM, too, is walking a similar path of creating media stages for the unheard in a changing, and contentious political climate for immigrants.

“Culture always beats borders” Chadi Bahouth (Neue Deutsche Medienmacher) holding a postcard made by a young African American in San Jose named Malcolm who did photos of the Ethiopian community © Raj Jayadev

Personal Stories of Immigration

The color, age and languages heard on the streets of Europe are being re-imagined by the infusion of new immigrant populations. In many ways the people gathered here in Prague will determine the future of the continent.

As Europe undergoes massive demographic changes, it stands at a fork-in-the-road moment. Either its nations will retreat into fractured, xenophobic fear of the other, or they will embrace the value added of a new diversity. Media, through their ability to communicate the personal stories of immigration, may determine which road is chosen.

The video we are watching is of a young man living in Prague, who is telling the story of his parents’ migration here. It was produced by a local Czech social service agency, which serves the large, though less integrated, Vietnamese community. The woman sitting next to me whispers to herself when she hears him speak–“Czech in Vietnamese skin,” she says. The mini-documentary, called “A Better Life,” tells the story of immigrants in the Czech Republic, profiling the lives of Vietnamese, Albanian and Russian immigrants.

The discussion after the film sparks a heated debate from the audience. They are not just spectators, but rather stakeholders invested in this practice of producing media to change societies. They are practitioners from the Czech Republic, the Netherlands, England and Germany, who have been examining and creating media as a vehicle for a larger purpose – inclusion of communities that otherwise have been invisible.

Just two weeks prior, these groups, under a collaborative effort called Media4us ran its largest effort to date – an eight-page insert of stories written by new migrants in eight different countries and languages through the print publication called the “Metro.” They reached 5 million readers.

A sister network of Media4us called Media4Me is the more localized version of the effort, concentrating on using media platforms within a city, or even neighborhood, to dissolve stereotypes and promote a more intimate understanding of each other.

Connecting Disconnected Communities

Through the Multikulturni Centrum Praha (Prague Multicultural Center), migrant communities are creating television shows for their municipal TV channel, and running summer schools for young migrants to become multimedia journalists – communicators of the new Europe.

It is new media as much as traditional media that is allowing this generation of multicultural journalists to serve the larger purpose of connecting otherwise disconnected communities.

In England, Media4Me created a YouTube project, online radio show and online photo gallery for residents to identify what aspects of their multicultural, multilingual, neighborhood they wanted changed. It was civic engagement without the town-hall meeting, expect perhaps a virtual one. Once larger news outlets picked up on the efforts, elected officials were forced to respond.

Outside of creating media, migrant journalists in Europe are challenging the language and visual depictions of immigrant communities used by politicians and mainstream media as a key battleground.

Anti-Immigrant Reaction

According to the German National Statistics Office, one out of every eight residents of Germany is foreign-born. That number, as in many European countries, is rising, along with the cache of anti-immigrant sentiment.

In Germany, right-wing political parties have gained ground by espousing anti-Muslim platforms. Neue Deutsche Medienmacher (New German Media Makers, or NDM) is an association of journalists of migrant ancestry, who are pushing media producers to respect the rights and nationality of Germans with migrant heritages.

Decision makers in editorial boardrooms and production suites are deciding on ways to identify and describe migrant communities. Those discussions speak to a more fundamental national question – who is German?

NDM, which says only two percent of all journalists there are of migrant ancestry, have challenged the major national papers. For instance, the group has questioned those mainstream media outlets when they call a German a “foreigner,” even though the person carries a German passport. NDM has also called out racist depiction of Muslims.

The conversation, and the role of media as a facilitator of either fear or inclusion, is a familiar one by immigrant advocates in the United States, who have had an active campaign to stop the major media from using the term “illegal” when referring to undocumented immigrants.

These journalists know — as migrant communities do all over the world – that media matters. Indeed, it may be the sole historical force that allows populations with less political capital to actually shape their futures within a larger new homeland.

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“Immigration is good for the economy” https://www.media4us.de/wp/2012/11/27/immigration-ist-good-for-the-economy/ https://www.media4us.de/wp/2012/11/27/immigration-ist-good-for-the-economy/#comments Tue, 27 Nov 2012 12:39:58 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1013 Am 24. Oktober war eine media4us-Delegation zu Gast bei Cecilia Malmström, Kommissarin für das Ressort „Inneres“ innerhalb der Europäischen Kommission. Saouli Quddus and Sükran Bulut haben mit ihr über die Integrations- und Asylpolitik der EU gesprochen und auch vor kritischen Nachfragen nicht zurückgeschreckt. Erste Auszüge des Interviews in englischer Sprache. ]]>

an Interview with Cecilia Malmström, European Commissioner for Home Affairs
by Saouli Quddus (M4Us/Média Animation) and Sükran Bulut (M4Us/Kif Kif)

What would you say to the following statement: ‘Foreigners are taking our jobs’?

This notion is often quoted but has no truth in it. As soon as there’s a shortage of jobs, foreigners are the first to suffer. There are many immigrants from third world countries who are unemployed or overqualified for the jobs they have, such as bus and taxi drivers. We need to identify their skills and find them work in the sector they are qualified in. It’s important to give foreigners the chance to fully partake in community life.

What factors hold people from third world countries back from participating in community life?

In order to be an active citizen, it’s necessary to have certain rights – the right to vote, the right to work. On the other hand, language also represents a barrier. It’s impossible to integrate into a society without speaking the language.

Can Europe use the existing diverse population to improve communication with other countries, maybe even to prevent war?

I think it is important to use the diversity that is present in our society to create economic relationships with other countries. For example, it could be beneficial when companies are expanding into new markets to give them an understanding of the culture of the new country. In a way, immigrants are sort of ambassadors for their country, both in their home country and abroad. They play a key role in enabling intercultural dialogue.

Dies sind erste Auszüge des Interviews. Der gesamte Text ist bald auf dieser Seite zu lesen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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5 Millionen Leser für neue Perspektiven https://www.media4us.de/wp/2012/11/16/5-millionen-leser-fur-neue-perspektiven/ https://www.media4us.de/wp/2012/11/16/5-millionen-leser-fur-neue-perspektiven/#comments Fri, 16 Nov 2012 13:00:16 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=970 Am Dienstag, den 20. November feierten unsere sieben Partnerländer die Veröffentlichung ihrer Projektzeitungen. In Schweden, Belgien, Italien, Tschechien, Großbritannien, Ungarn und den Niederlanden durften sich die Leser der internationalen Gratis-Zeitung METRO über eine media4us-Beilage freuen. ]]>

In sieben europäischen Ländern erschienen media4us-Zeitungen

Am 20. November feierten unsere sieben Partnerländer die Veröffentlichung ihrer Projektzeitungen. In Schweden, Belgien, Italien, Tschechien, Großbritannien, Ungarn und den Niederlanden durften sich die Leser der internationalen Gratis-Zeitung METRO über eine media4us-Beilage freuen. In einigen Ländern hatten Migrantinnen und Migranten damit zum ersten Mal eine Stimme in den Mainstream-Medien.

Zusammengerechnet waren damit rund 5 Millionen Leserinnen und Leser eingeladen, neue Perspektiven auf die Themen Integration und Partizipation kennenzulernen. Journalisten mit Migrationshintergrund hatten im Rahmen von media4us Artikel und Kommentare verfasst, gaben Einblicke in persönliche Erfahrungen und schrieben über Sport, Politik, Kultur, Liebe und vieles mehr.

Digitale Versionen sind auf der europäischen media4us-Seite abrufbar: www.media4us.eu

Herzlichen Glückwunsch und ein Dank an alle couragierten Autoren, Redakteure, Organisatoren und Unterstützer!

Keep it up!

media4us, Germany

 

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