Media4Us https://www.media4us.de/wp Ein weiterer WordPress-Blog Mon, 23 Feb 2015 14:22:24 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=4.2.2 auf Partnersuche https://www.media4us.de/wp/2013/04/26/auf-partnersuche/ https://www.media4us.de/wp/2013/04/26/auf-partnersuche/#comments Fri, 26 Apr 2013 11:49:06 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1413 Nachdem media4us.de aus der Taufe gehoben wurde, ist die Seite nun bereit für den nächsten Schritt. Wir sind an neuen Kooperationen interessiert und freuen uns über Nachrichten von Verbänden, Netzfans und Journalisten, die Lust haben gemeinsam an dieser Plattform zu schrauben. Für mehr Vielfalt in den Medien!]]>

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Die unabhängige Justiz… https://www.media4us.de/wp/2013/04/16/die-unabhangige-justiz/ https://www.media4us.de/wp/2013/04/16/die-unabhangige-justiz/#comments Tue, 16 Apr 2013 13:08:34 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1393 Eigentlich wollte sich der media4us-Autor Ferhat Epik nicht schon wieder mit dem NSU-Prozess beschäftigen. Doch die Diskussion um die Platzvergabe an ausländische Pressevertreter treibt auch ihn um. Den Anspruch, durch den Prozess Vertrauen zurückzugewinnen, sieht er durch die Haltung des Oberlandesgerichts München aufs Spiel gesetzt. Ein Kommentar. ]]>

Ein Kommentar von Ferhat Epik

Eigentlich will ich schon gar nicht mehr darüber schreiben. Eigentlich sollte ich einfach zuhause sitzen, den Kopf dicht machen und auf leere Wände schauen. Eigentlich könnte ich anderes machen, als mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wieso, weshalb, warum, womit. Diese Fragen schwirren aber ständig in meinem Kopf herum. Sie verfolgen mich bis in meine Träume.

Wir sind uns irgendwie alle einig. Die NSU-Morde waren grausam, scheußlich und dürfen in unserem Land nie wieder geschehen. So weit, so gut. Während sich aber ein kleiner Teil der Menschen aktiv dafür einsetzt, dass so etwas nicht noch mal geschieht, versuchen andere (zumeist aus dem rechts-konservativen Lager) zu verschleiern, was eigentlich passiert ist. Die Botschaft ist eindeutig: Links ist schlimmer als Rechts, oder mindestens genauso schlimm. Das war ein Ausrutscher, achtet auf links, links, links.

Dass jetzt die Münchner Justiz eine unrühmliche Rolle in dem Kampf übernimmt, der von rechtskonservativen Idealisten angeführt wird, und sich gegen die diejenigen stellt, die eine lückenlose Aufklärung vorantreiben wollen, zeugt nicht gerade von der Überzeugung „Vertrauen zurück gewinnen“ zu wollen.

Foto: Thorben Wengert / pixelio.de

Zuerst läuft eine Bande durch die Gegend und ermordet aus blankem Rassenhass Menschen. Dabei verschließen Polizei, Landeskriminalämter, Verfassungsschützer und vor allem Staatsanwälte die Augen. Dieser Skandal wird aufgedeckt. Und was passiert dann? Die Behörden verhindern eine lückenlose Aufklärung! Und jetzt sollen auch noch die türkischen und griechischen Medienvertreter an ihrer Berichterstattung gehindert werden. Noch nicht einmal beobachten dürfen die Betroffenen also. Aha, so viel zum Thema Transparenz.

Es hagelt Kritik von allen Seiten. Politik und Gesellschaft, ja sogar die im Saal zugelassenen Medienvertreter melden Bedenken an. Die Münchner Justiz hält aber starrsinnig an ihrem Plan fest. Nun meldet sich sogar der türkische Außenminister und fordert Plätze. Die Antwort im Wortlaut: „Lassen Sie uns in Ruhe, und versuchen Sie nicht Einfluss zu nehmen“. Was sollte denn der türkische Staat machen? Wie viele Rechtskonservativen ebenfalls die Augen verschließen? Nein, der türkische Staat tut das einzig richtige, nämlich seine eigenen Landsleute zu vertreten. Und eben da ist der Außenminister gefragt. Wer da Angst vor Einflussnahme hat, der kann sich gern unter der Bettdecke verkriechen.

Bemerkenswert ist dabei vor allem eines: Es ist die bayerische Justiz, die vor Einflussnahme Angst hat. Der Fall Mollath hat anscheinend seine Spuren hinterlassen, nicht nur bei der Justiz.

Solange der Starrsinn bestimmter Kreise und die bewusste Blindheit einiger Rechtskonservativen in unserem Land Überhand hat, wird weder eine angemessene Aufklärung stattfinden, noch wird es gelingen, den schwelenden Rassismus in den Griff zu bekommen. Das Vertrauen ist schon lange verspielt. So könnte wenigstens gerettet werden, was noch zu retten ist. Auch diese Chance droht nun vertan zu werden.

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Das Parfüm: Fremdheit und anders sein https://www.media4us.de/wp/2013/04/03/das-parfuem-fremdheit-und-anders-sein/ https://www.media4us.de/wp/2013/04/03/das-parfuem-fremdheit-und-anders-sein/#comments Wed, 03 Apr 2013 13:14:00 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1385 Eine kleine Buchkritik von Houda Ben Said Fremdheit und Anderssein, diese Gefühle kennen viele Migranten. Es ist wie ein Stempel auf der Stirn, den man nicht mehr loswird. Es ist wie eine Brandnarbe, bei der man weiß, dass sie immer sichtbar sein wird. “Das Parfum” von Patrick Süskind ist ein Buch, das auf einzigartige Weise [....]]]>

Eine kleine Buchkritik von Houda Ben Said

Fremdheit und Anderssein, diese Gefühle kennen viele Migranten. Es ist wie ein Stempel auf der Stirn, den man nicht mehr loswird. Es ist wie eine Brandnarbe, bei der man weiß, dass sie immer sichtbar sein wird.

“Das Parfum” von Patrick Süskind ist ein Buch, das auf einzigartige Weise das Gefühl der Fremdheit veranschaulicht. Es handelt von Jean-Baptiste Grenoullie, der im Jahr 1738 auf einem Fischmarkt in Paris zur Welt kommt. Der ekelerregende Fisch-und Menschengeruch hinterlässt Spuren bei dem Kind, dessen Geruchssinn sich fortan mehr und mehr entwickelt und sich schließlich ins Übermenschliche steigert. Schon als kleiner Junge schafft er es Gerüche zu “wittern”, die meilenweit entfernt sind. Er kann ein Parfum in seine Grundessenzen spalten und sogar Gerüch imaginiseren, mischen und erkennen, ohne sie jemals wirklich, “in echt” gerochen zu haben.

Doch Jean-Baptiste führt ein monotones Leben. Denn er liebt nicht. Er hasst nur und ist besessen von seinem Ziel, der größte Parfumeur von Paris zu werden und den perfekten Duft zu kreieren. Diesen Duft findet er nicht in irgendeiner exotischen oder seltenen Pflanze, sondern in schönen Mädchen. Um ihre Gerüche “einzufangen”, bringt er sie um. Er versucht, das blühende Leben in kleine Falkons zu bannen. Die böse Ironie dabei ist, dass Grenoullie das, was er wirklich “geliebt” hat, letztendlich umbringen wird.

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Chinesische Freunde https://www.media4us.de/wp/2013/03/11/chinesische-freunde/ https://www.media4us.de/wp/2013/03/11/chinesische-freunde/#comments Mon, 11 Mar 2013 15:26:36 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1333 Täglich ein Anruf, eine SMS und am liebsten möchten sie ihn nach jedem Treffen bis nach Hause begleiten. Chinesische Freundschaften können für Europäer manchmal etwas anstrengen sein, doch man darf das nicht falsch verstehen. Ceyhun Yakup Özkardes über seine Erfahrungen mit seinem Freund JiYi. ]]>

von Ceyhun Yakup Özkardes

Täglich ein Anruf, eine SMS und am liebsten möchten sie mich nach jedem Treffen bis nach Hause begleiten. Chinesische Freundschaften können für uns Europäer manchmal etwas anhänglich sein, doch man darf das nicht falsch verstehen. Ceyhun Yakup Özkardes erzählt von seinen Erfahrungen mit JiYi – einem Taekwondo Coach in Xiamen.

Mein Handy vibriert und versetzt meinen Tisch in Bewegung, doch ich gehe nicht ran. Ich bin nicht stolz darauf, aber ich möchte das Gespräch jetzt nicht annehmen, weil klar ist, wer da am anderen Ende ist. Mein neuer chinesischer Freund aus dem Taekwondo Verein versucht mich anzurufen – bereits zum dritten Mal. JiYi, 20 Jahre jung, ist ein unglaubliches Talent im Taekwondo. An den Wochenenden arbeitet er in einem Taekwondo Club in Xiamen und unter der Woche geht er zur Schule. Er ist unheimlich zuvorkommend, aber manchmal können chinesische Freundschaften etwas anstrengend sein.

© privat / Ceyhun Yakup Özkardes

Ich habe oft das Gefühl JiYi würde für mich alles stehen und liegen lassen und wenn es nötig wäre, seine gesamte Freizeit für mich opfern. In China basiert Freundschaft auf Gegenseitigkeit, weshalb er also genau dasselbe auch von mir erwartet. Für Chinesen sind Ausländer, insbesondere Menschen aus dem Westen, Gäste der besonderen Art. Deutschland spielt da eine spezielle Rolle. Deutschland heißt übersetzt das „Land der Tugenden“ (德国) und ist sehr beliebt. Dabei rühmt man besonders die deutschen Automarken und deren gute Qualität. Auch wenn ich weder Ingenieur noch besonders interessiert an Autos bin, muss ich mich mit Chinesen oft über BMW oder Audi unterhalten. In dieser Hinsicht ist JiYi allerdings etwas anders. Ihm ist es wichtiger, dass wir zusammen Zeit verbringen – viel Zeit.

Der Begriff Freundschaft hat in China eine andere Bedeutung als in Deutschland. Wo die Deutschen als eher verschlossen gelten, schließen Chinesen bereits nach dem ersten Treffen beste Freundschaften. Dies beinhaltet sowohl gemeinsame Abendesse als auch, sich persönliche Geheimnisse anzuvertrauen. Freundschaft ist außerdem automatisch mit der Pflicht verbunden, seinen Freunden zu helfen. Dies fiel mir besonders auf meiner Reise nach Fuzhou auf.

Im Auftrag meiner Firma fuhr ich in die Provinzhauptstadt von Fujian – nach Fuzhou. Zu diesem Zeitpunkt war JiYi ebenfalls in Fuzhou und wollte mir vor Ort helfen. Um mich nicht ganz auf meinen eifrigen Freund verlassen zu müssen, suchte ich mir vorher die Wegbeschreibung heraus und rief ihn lediglich an, als ich in Fuzhou ankam. Er entschuldigte sich, dass er gerade keine Zeit hätte und ich dachte, die Sache wäre damit erledigt. Mein Ziel fand ich problemlos und ging meinen Aufgaben nach. Etwa 20 Minuten später rief JiYi jedoch wieder an, um mir eine detaillierte Wegbeschreibung zu geben. Er war sehr überrascht über meinen Alleingang und meine schnelle Ankunft. Bei einem späteren Treffen gestand er mir, dass er Angst um mich hatte und besorgt darüber war, dass ich verloren gehen könnte. Obwohl ich jeden Tag an der Uni Chinesisch lerne und inzwischen viele Situationen auch meistern kann, war er sehr verwundert über meine Selbstständigkeit in einem, seiner Meinung nach, für mich fremden Land.

In einer anderen Situation wurde mir die unterschiedliche Denkweise zwischen China und Deutschland ebenfalls deutlich vor Augen geführt. Bei einer Trainingseinheit in der Taekwondo Schule posierten die Trainerkollegen und ich für Gruppenfotos. Ich dachte mir dabei nichts und hielt es lediglich für ein paar Schnappschüsse. Doch beim nächsten Training fand ich in einer Ecke der Halle drei Kisten voll mit Werbeflyern für die Taekwondo Schule, auf dem genau dieses Gruppenfoto verwendet wurde. Dazu von allen Trainern noch ein kurzer Text, von mir natürlich auf Englisch. An sich eine gute Sache, doch ich hatte das Gefühl, übergangen worden zu sein. Ich wurde weder mit einbezogen noch um Erlaubnis gefragt. Da Westler so sehr von Chinesen bewundert werden, sind sie oft auch eine Art Vorzeigeobjekt. Genau so fühlte ich mich dann leider auch, so, als würde ich herumgereicht werden. Dieses Foto mit mir sollte eine Nachricht transportieren und zeigen: „Wir sind mit dem Westen verbunden.“

Bei diesem Vorfall kam noch etwas anderes zum Tragen: das Konzept des Guanxi Systems (关系). Das Beziehungsnetzwerk, in das jedes Mitglied der Gesellschaft eingebunden ist. Danach ist es völlig legitim, Beziehungen zu nutzen und auch von ihnen zu profitieren. Am ehesten ist dieses Prinzip vergleichbar mit den Seilschaften in Deutschland, in denen man sich gegenseitig hilft und auch unterstützt. In meinem Fall versuchten die Trainer, mit dem Werbeflyer Eindruck zu schinden, damit ich auch in Zukunft diese Schule besuchen würde.

Auch wenn ich mich daran erst gewöhnen musste, bin ich sehr dankbar für die tolle Hilfe und Unterstützung von JiYi und den anderen Trainern. Sie sind immer da, wenn es Probleme oder Schwierigkeiten gibt und widmen sich vollkommen dieser Aufgabe. Durch sie lerne ich weitere Chinesen kennen, „expandiere“ quasi mein Guanxi und habe mehr denn je Einblick in die chinesische Kultur. Nicht aus Büchern, sondern ganz praktisch im Alltag lerne ich vom chinesischen Gedankengebäude und teile auch meine persönlichen Werte.

© privat / Ceyhun Yakup Özkardes

Genau das nämlich ist das Ziel: Interkulturelle Konzepte betonen den Synergieeffekt interkultureller Freundschaften, also die Verschmelzung von verschiedenen Ressourcen aus zwei Kulturen zu einem neuen Gebilde. Dabei sollen beide Partner eine Neudefinition von wichtigen Elementen vornehmen, so dass eine neue Gesamtheit entstehen kann. Ein nicht ganz einfaches Ziel, aber ein erstrebenswertes, denn die Qualität unserer gemeinsamen Zeit nimmt so zu.

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Ein neuer Populismus https://www.media4us.de/wp/2013/03/11/ein-neuer-populismus/ https://www.media4us.de/wp/2013/03/11/ein-neuer-populismus/#comments Mon, 11 Mar 2013 08:58:16 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1328 Seit Wochen wird über Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien debattiert, genauer gesagt über Sinti und Roma. Nach dem Empfinden vieler Deutscher kommen sie in alarmierender Zahl, machen Kommunen unsicher und nutzen die Sozialsysteme aus. In der aufgeregten Debatte haben Sachlichkeit und Vernunft kaum eine Chance. Ein Beitrag von Isabel Merchan.]]>

von Isabel Merchan

Seit Wochen debattiert das Land über Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, genauer gesagt über Sinti und Roma. Nach dem Empfinden vieler Deutscher kommen sie in alarmierender Zahl her, machen Kommunen unsicher und nutzen die Sozialsysteme aus. In dem Positionspapier „Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien“ schreibt der Deutsche Städtetag, dass „die Balance und der soziale Friede in den Städten in höchstem Maße gefährdet“ seien und nennt enorme  Zuwanderungsraten.

Anfang März forderte Hans-Werner Sinn, Präsident des Wirtschaftsinstituts ifo, der Zuwanderung von „Armutsflüchtlingen“ aus Südosteuropa „einen Riegel vorzuschieben”. Das aber dürfte schwierig sein, denn für Bulgaren und Rumänen gilt Reisefreiheit wie für andere EU-Angehörige auch. Dass 2014 die Grenzkontrollen zu den beiden Ländern entfallen sollen, schürt die Ängste weiter, denn es gibt Prognosen, nach denen dann 120 000 bis 180 000 Menschen von dort nach Deutschland kommen könnten. Inzwischen hat Innenminister Hans-Peter Friedrich auf EU-Ebene ein Veto gegen den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien eingelegt.

In der aufgeregten Debatte haben Sachlichkeit und Vernunft kaum eine Chance. Dabei betont etwa das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), dass „80 Prozent der Menschen, die seit Beginn der EU-Mitgliedschaft 2007 aus diesen beiden Ländern nach Deutschland gekommen sind, einer Erwerbsarbeit nachgehen. Von diesen sind 22 Prozent hochqualifiziert und 46 qualifiziert. Bei diesen Zuwanderern handelt es sich häufig um Menschen mit Berufen, die wir in Deutschland dringend benötigen“. Wie die Berliner Zeitung im Februar 2013 schrieb, sind rumänische Ärzte überproportional nach Deutschland eingewandert und praktizieren hier, was dazu geführt hat, dass Rumänien mittlerweile die niedrigste Arztdichte in ganz Europa hat.

Unterschlagen wird auch, dass nach Deutschland eingewanderte Rumänen und Bulgaren gar keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Das wurde bei der EU-Osterweiterung verankert, um eine „Immigration in die Sozialsysteme“ zu verhindern. Daran ändert sich auch ab 2014 nichts. Einzige Ausnahme ist das Kindergeld, das jeder EU-Bürger, der hier lebt, erhält.

Der Migrationsforscher Klaus Bade warnte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa vor hysterischen Reaktionen auf den Zuzug von Roma aus Südosteuropa und negierte gleichzeitig eine massenhafte Armutszuwanderung nach Deutschland. „Das ist Panikmache. Das ist wieder der Appell, eine negative Koalition der Abwehr statt eine positive Koalition der Gestaltung zu schaffen“, so Bade. Verständnis für die Motive von Sinti und Roma, aus ihren Herkunftsländern auszuwandern, in denen sie häufig unter großer materieller Not und Diskriminierung leiden, zeigte Joachim Brenner. Brenner ist Geschäftsleiter des Fördervereins Roma e.V. in Frankfurt am Main und betonte in einem Interview: „Die Leute kommen aus nackter Not.“

Doch Empathie sucht man in der Debatte vergebens, zu sehr fühlen sich viele Menschen offenbar bedroht. Gespannt war die Beziehung zu den Sinti und Roma schon seit ihrer Einwanderung vor etwa 600 Jahren. Das Verhältnis zu dieser größten europäischen Minderheit, die nicht nur in Südosteuropa, sondern etwa auch in Spanien, Frankreich und Deutschland lebt, schwankte stets zwischen romantischer Verklärung und brutalster Ablehnung. Über diese Ambivalenzen hat der Bielefelder Literaturwissenschaftler Klaus-Michael Bogdal 2011 das lesenswerte Buch „Europa erfindet die Zigeuner“ geschrieben. Darin zeigt er die auf Sinti und Roma bezogenen Konstruktionen von Vorurteilen auf, deren Aktualisierung man derzeit erleben kann.

Inzwischen hat sich der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in einem Schreiben an Bundespräsident Joachim Gauck gewendet. Beklagt wird darin ein neuer Populismus, der von Politikern betrieben werde. Dieser beinhalte Vorwürfe von “Betrug bei Sozialleistungen” und “Missbrauch der Freizügigkeit” bis zu “Asylmissbrauch” und “Kriminalität”. Der Zentralratsvorsitzende Romani Rose kritisiert in dem Schreiben, dass die gegen Roma und Sinti gerichteten Diskussionen aggressiv geführt würden und drohten, zum Wahlkampfthema zu werden. Im Weiteren bittet er Bundespräsident Gauck, mäßigend auf die Parteien einzuwirken.

 

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Steinbrück und was die Italiener von ihm halten https://www.media4us.de/wp/2013/03/08/steinbruck-und-was-die-italiener-von-ihm-halten/ https://www.media4us.de/wp/2013/03/08/steinbruck-und-was-die-italiener-von-ihm-halten/#comments Fri, 08 Mar 2013 08:05:43 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1304 In Italien ist es nicht leicht, zur Wahl zu gehen und am Ende das Gefühl zu haben, das Richtige getan zu haben; das ist es schon lange nicht mehr. Berlusconi hat viel zerstört, mehr, als man sich im Ausland vorstellen kann. Warum Steinbrück ihn trotz seines fragwürdigen Politikverständnisses nicht als "Clown" bezeichnen sollte, das beschreibt Valerio Montanari.]]>

von Valerio Montanari

In Italien ist es nicht leicht, zur Wahl zu gehen und am Ende das Gefühl zu haben, das Richtige getan zu haben; das ist es schon lange nicht mehr. Berlusconi hat viel zerstört, mehr, als man sich im Ausland vorstellen kann. Und Berlusconi ist nicht der erste Politiker in Italien mit einem fragwürdigen Politikverständnis: Bis 1992 war Giulio Andreotti insgesamt sieben Mal Ministerpräsident Italiens gewesen, bis er wegen Verwicklungen mit der Mafia zu 24 Jahren Haft verurteilt wurde.

In Deutschland funktioniert die Präsentation der Politik in den Medien grundsätzlich anders als in Italien (und anders als in den meisten Gegenden der Welt, wie man es auch aktuell viel in den Zeitungen liest): In Deutschland ist ein Politiker heute sofort weg vom Fenster, wenn er auch nur in den Verdacht gerät, Regeln gebrochen zu haben. Was Annette Schavan getan hat, wäre im Rest Europas bestenfalls ein Schönheitsfehler. Was Horst Köhler gesagt hat, hätte man woanders wohl kaum zur Kenntnis genommen.

Silvio Berlusconi hat eine politische Kultur ermöglicht, die in Italien inzwischen ganz normal ist, in Deutschland dagegen kaum denkbar. Politik findet in Italien in Talkshows statt, es wird nur geredet. Abgeordnete waren in der Berlusconi-Ära die Bonzen schlechthin. Vetternwirtschaft war normal, die wichtigsten politischen Faktoren waren das Aussehen und der Preis der Krawatte und man wurde Abgeordneter, um seine Rente gesichert zu sehen (in Italien war das besonders einfach, weil man nicht so lange Abgeordneter sein musste wie in Deutschland, um Anspruch auf die entsprechende Rente zu haben).


media

Berlusconi selbst ging stets mit schlechtestem Beispiel voran. Wer mitbekommen hat, wie Berlusconi eine Expertin für Solarenergie fragte, wie oft sie „komme“, konnte nur den Kopf schütteln. Deutsche Medien berichteten von dem peinlichen Auftritt. Auf die verbale Entgleisung folgte der eigenlich dreistere Teil: Am Ende des Fernsehausschnitts – hier im italienischen Original auf Youtube – bittet er die junge Dame, sich umzudrehen. Als die ihm die Bitte verwirrt erfüllt, schaut er auf ihr Gesäß und sagt zur Kamera: „Doch, ein gutes Angebot.“

Es würde lange dauern, alle Verfehlungen von Berlusconi aufzulisten. Jedenfalls ist er angeklagt, weil er die Prostitution Minderjähriger gefördert haben soll – der „Ruby“-Fall. Wenn man sich anschaut, wie sich Berlusconi zu diesem und ähnlichen Fällen geäußert hat, dann möchte man ihn am liebsten selbst ins Gefängnis stecken. Ein Zuhälter an der Staatsspitze – wie bitte?

Wieso wurde Berlusconi also immer wieder gewählt? Ihm gehören der AC Mailand, die Fernseh-Sendegruppe Mediaset und die Verlage Mondadori und Einaudi – und das sind nur die Aushängeschilder. Das ist so, als würden der Axel-Springer-Verlag, RTL und Bayern München zum Privatbesitz von Angela Merkel gehören.

Berlusconi hat die politische Landschaft alternativlos gemacht. Man kann sich nicht vorstellen, welchen Einfluss ein Politiker auf die Bevölkerung haben kann, wenn ihm solche Machtinstrumente zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass die italienische Linke traditionell zerstritten und lange Zeit politisch fast unbedeutend war. Italiener sind es nicht gewohnt, dass Wahlen irgendetwas verändern oder gar verbessern. Egal, was gewählt wurde – Berlusconi gewann immer. Selbst, als der Sozialdemokrat Romano Prodi Ministerpräsident war (2006-2008), gewann am Ende Berlusconi, weil Prodis Regierung auseinanderbrach. Neuwahlen, Berlusconi wurde wieder Ministerpräsident.

Berlusconi wurde jetzt wiedergewählt, weil er versprochen hat, das Leid der Italiener zu beenden. Natürlich waren seine Wahlversprechen hanebüchen und absurd – aber das ist, wie schon beschrieben, in Italien nichts Besonderes. Mario Monti wurde nicht mehr gewählt, weil seine Maßnahmen in den letzten Jahren hohe Arbeitslosigkeit, sinkende Kaufkraft und schwindende Perspektiven heraufbeschworen haben. Im Sinne einer europa- und letztlich italienfreundlichen Politik musste er diese Sparmaßnahmen ergreifen, und hier kommen die Deutschen ins Spiel: Das deutsche Wort hat Gewicht in Europa, weil Deutschland die stärkste Wirtschaftsmacht im Euro-Raum ist und die EU-Politik anführt. Um den Euro zu schützen, von dem Deutschland im Moment sehr profitiert, haben die Italiener das Nachsehen; so argumentieren die Populisten. Italiener, Griechen, Spanier und Portugiesen verstehen es so, dass es ihnen schlecht gehen muss, damit Deutschland profitieren kann. Sie wählen Grillo und Berlusconi, weil sie finden, dass Montis europafreundliche Politik an ihrer Lebenssituation vorbeigeht. Monti sieht nicht, dass es den Italienern schlecht geht, finden sie.

Man darf nicht vergessen, dass die Schuld für die Krisensituation nicht die Italiener tragen: nur ein Italiener ist schuld, Berlusconi. Wie in Griechenland, aber auch in Deutschland sind es die Politiker, die die politische Kultur formen, nicht die Bürger; die Bürger wählen nur, sie handeln und repräsentieren nicht. Wenn sie schon für Deutsche schuften müssen, dann ist eine respektvolle Behandlung das Mindeste, was die Italiener verlangen.

Und dann taucht ein Kanzlerkandidat der SPD auf. Er behauptete neulich, mit Grillo und Berlusconi hätten ein „Clown, der sich selbst auch so nennt“ und ein „Clown mit Testosteronschub“ die Wahl gewonnen. Man kann von Grillo und Berlusconi halten, was man will. Aber „Clown“ ist keine politische Aussage, sondern eine respektlose Bezeichnung. Steinbrück symbolisiert mit seinen Äußerungen das herablassende Gebahren eines Europas, das auf italienische Kosten vom Euro profitiert – so sehen es jedenfalls die italienischen Populisten. Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano hat wegen dieser Äußerungen das lange geplante Treffen mit dem Kanzlerkandidaten abgesagt. Hätte Steinbrück diese Dinge als Kanzler gesagt – wie unangenehm wäre die Situation wohl geworden?

Steinbrück vergisst, dass Grillo und Berlusconi ihm etwas Wesentliches voraushaben: Sie gewinnen Wahlen. Vielleicht sollte sich Steinbrück mehr wie Grillo oder Berlusconi aufführen – das könnte seine Kandidatur retten, schlechter könnte er ohnehin kaum dastehen.

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Migration und Gesundheit https://www.media4us.de/wp/2013/03/06/migration-und-gesundheit/ https://www.media4us.de/wp/2013/03/06/migration-und-gesundheit/#comments Wed, 06 Mar 2013 07:34:55 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1315 Am 20. Februar 2013 fand in der Berliner Charité das Symposium „Viele Risiken – gutes Outcome? Geburtshilfe in der Einwanderungsgesellschaft“ statt. Hier wurde eine aktuelle Studie vorgestellt, die zeigt, dass vom pauschalen Bild der Migrantin Abstand genommen werden muss. Isabel Merchan hat die Ergebnisse für uns zusammengefasst.]]>

Ein Symposium untersucht das Thema Geburtshilfe in der Einwanderungs­ge­sell­schaft

von Isabel Merchan

Wie beeinflusst die Erfahrung der Migration Schwangerschaften und Geburten von Frauen? Mit dieser Frage haben sich die Gesundheitswissenschaften in den letzten Jahren international wiederholt beschäftigt. Dabei wurde in Studien festgestellt, dass Frauen mit Migrationshintergrund höheren Risiken in ihren Schwangerschaften ausgesetzt sind. Sie erleiden zum Beispiel öfter als Frauen ohne Migrationshintergrund Fehlgeburten oder müssen ihre Kinder per Kaiserschnitt zur Welt bringen. Die Gründe dafür sind sozialer Natur: Migrantinnen werden seltener von den an den Mittelschichten orientierten Informationen und Angeboten des Gesund­heits­sys­tems erreicht. Sie nehmen daher Leistungen wie Vorsorge­un­ter­suchungen oder Wochenbett-Hilfen weniger in Anspruch.

© media4us / foto: Anja-Lina Keilbach – Beitrag aus dem Fotowettbewerb “Zeig’s uns!“

In Deutschland ist die Datenlage zu diesem Thema veraltet und bruchstückhaft. Um sie zu aktualisieren, hat ein Team aus Berliner und Bielefelder Wissenschaftlern eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Studie durchgeführt und dafür 7.100 Schwangere befragt. Knapp 60 Prozent von ihnen hatten einen Migrationshintergrund, gut 40 Prozent nicht. Befragt wurden Frauen, die zur Entbindung in die Berliner Kliniken am Urban, in Neukölln und Virchow im Wedding gekommen waren. Ausgesucht wurden diese Kliniken, weil sie in Bezirken liegen, in denen besonders viele Migranten leben.

Mit der Studie sollte herausgefunden werden, ob es die beschriebenen Risiken für Schwangere mit Migra­tions­hin­tergrund hierzulande noch immer gibt. Die in neun Sprachen übersetzten Fragebögen konzentrierten sich auf Themen wie Schwangerenvorsorge, Stillabsicht und allgemeines Gesundheitsverhalten. Kenntnisse über die Versorgung und mögliche Komplikationen während der Geburt wurden aus den in den Kliniken erfassten Daten übernommen. Sechs Monate später wurde ein Teil der Frauen erneut befragt, diesmal zu Komplikationen im Wochenbett, der Betreuung durch eine Hebamme und der Nutzung von Früherkennungsuntersuchungen für ihre Babys.

Der größte Teil der befragten Migrantinnen war selbst eingewandert. Zwei etwas kleinere Gruppen umfassten Frauen der zweiten, hier geborenen Migrantengeneration bzw. hatten ein Elternteil, das im Ausland geboren war. Von den für die Studie befragten Frauen der ersten Generation hatten 21,9 Prozent einen deutschen Pass, bei den Frauen der zweiten Generation waren es 71 Prozent. Die Befragungsergebnisse wurden mit denen von Frauen deutscher Herkunft verglichen.

Die Studie zeigt deutlich die Vielfalt der Herkunftsländer der Befragten oder ihrer Eltern. Man müsse Abschied nehmen vom pauschalen Bild der Migrantin, betonte daher Professor Theda Borde bei der Präsentation der Studienergebnisse auf dem Symposium „Viele Risiken – gutes Outcome? Geburtshilfe in der Einwanderungsgesellschaft“ am 20. Februar 2013 in der Berliner Charité. Borde ist Rektorin der Alice Salomon Hochschule in Berlin und befasst sich seit langem mit dem Thema Migration und Gesundheit.

Bei der Nutzung von Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft gibt es der Studie zufolge keine großen Unterschiede mehr zwischen Frauen mit und ohne Migrationshintergrund, auch nicht bei der Anzahl der Termine. Eine Ausnahme bilden Frauen mit unsicherem Aufenthaltsstatus.

Leichte Unterschiede zeigen sich darin, dass Frauen deutscher Herkunft öfter als Frauen mit Migrationshintergrund Geburtsvorbereitungskurse besuchen und sich in der Zeit nach der Geburt eher von einer Hebamme betreuen lassen. Allerdings gleichen sich diese Unterschiede aus, je höher der „Akkulturationsgrad“ der Befragten ist. Dann wird die Nutzung von Angeboten rund um Schwangerschaft und Geburt immer ähnlicher. Mit Akkulturation meinen Migrationsforscher einen Prozess, in dem sich Migranten mit ihrer Umgebung vertraut machen und sich ihr anpassen oder sich die Umgebung ihnen anpasst. „Je länger jemand hier lebt, desto mehr Akkulturation gibt es“, so Borde. Im Gegensatz zu den 80er Jahren habe sich viel verändert.

Im Vergleich zu früheren Studien zeige die aktuelle Befragung sehr erfreuliche Ergebnisse, stellte Professor Oliver Razum von der Universität Bielefeld auf dem Symposium fest. Viele der in früheren Studien und in der Forschungsliteratur dargestellten erhöhten gesundheitlichen Risiken bei Schwangeren mit einem Migrationshintergrund hätten sich in der Studie nicht bestätigt. „Die Gesundheitsdienste in Berlin schaffen es, gleiche Geburtsvoraussetzungen zu schaffen“, sagte Razum. Es bestünden sprachliche Barrieren, doch würden Dolmetscher offenbar so eingesetzt, dass die Kommunikation funktioniere.

Trotz der positiven Resultate zeigt die Studie allerdings auch, dass es zwischen Migrantinnen und einheimischen Frauen auch nach Jahren der Einwanderung noch immer gravierende soziale Unterschiede gibt. So zeigten sich bei Frauen mit einem Migrationshintergrund ein höherer Bedarf und eine stärkere Nutzung materieller Hilfen während der Schwangerschaft. Große Unterschiede zeigen sich etwa bei der Erwerbstätigkeit und beim Einkommen: Mit weniger als 900 Euro im Monat müssen 26,5 Prozent der Einwanderinnen der ersten Generation auskommen, 22,3 Prozent der Einwanderinnen der zweiten Generation und 16,5 Prozent der Frauen mit einem eingewanderten Elternteil – aber nur 11,3 Prozent der Frauen ohne Migrationshintergrund. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Prozess der Akkulturation irgendwann auch auf die sozialen Unterschiede auswirken und diese ausgleichen wird.

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Entfremdung https://www.media4us.de/wp/2013/03/04/entfremdung/ https://www.media4us.de/wp/2013/03/04/entfremdung/#comments Mon, 04 Mar 2013 15:44:37 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1320 Wer war ich? Wer bin ich? Wer werde ich sein? Diese Fragen beschäftigen viele Jugendliche mit Migrationshintergrund. Besonders die Generation, die hier geboren und aufgewachsen ist, muss sich manchmal mit dem Gefühl der Entfremdung auseinandersetzen. Ein Kommentar von Lizge Yikmis ]]>

Ein Kommentar von Lizge Yikmis

Wer war ich? Wer bin ich? Wer werde ich sein?

Diese Fragen beschäftigen viele Jugendliche mit Migrationshintergrund stärker als andere Altersgenossen. Besonders die Generation, die hier geboren und aufgewachsen ist, leidet zunehmend unter der Entfremdung von der eigenen Kultur und somit auch von sich selbst.

© media4us / foto: Thomas Bardohl – Beitrag aus dem Fotowettbewerb “Zeig’s uns!“

Sara lebt seit ihrer Geburt in Deutschland. Ihre Mutter kam als Kind nach Deutschland, die Eltern waren Gastarbeiter. Saras Vater flüchtete vor den politischen Verhältnissen in seinem Heimatland. Wenn man Sara nach ihrer Heimat fragt, lautet die Antwort: Deutschland. Hier ist sie aufgewachsen, hier hat sie ihre Freunde. Wenn sie in den Nachrichten immer wieder Berichte über Integrationspolitik oder die sogenannte fehlgeschlagene Integration von Migranten sieht, dann fühlt sie sich nicht angesprochen. Ihre Familie kann man als integriert beschreiben. Sie sprechen alle fehlerfrei Deutsch und beteiligen sich am sozialen Leben, falls es das ist, was man unter einer gelungenen Integration versteht.

Trotzdem fühlt sie sich hier – in ihrer Heimat – manchmal fremd. So geht es vielen anderen auch: Kinder mit Migrationshintergrund wachsen mit zwei Kulturen auf. Sie genießen eine andere Erziehung, da es in ihrer Kultur andere Normen und Werte gibt.

Saras Erziehung wurde stark durch die Vergangenheit ihrer Eltern beeinflusst. Früh begann sie sich für Politik und Menschenrechte zu interessieren. Es beschäftigt sie, warum Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Sie ist ein Mädchen, das über vieles nachdenkt und die Dinge zu hinterfragt. Sie unterscheidet sich eigentlich nicht sehr von ihren Freunden. Sie besucht die gymnasiale Oberstufe und ihr Freundeskreis besteht größtenteils aus Deutschen. Sie schmunzelt, als sie das sagt, denn mit dieser Bemerkung grenzt sie sich automatisch von ihren Freunden ab. Eine Mauer, obwohl da eigentlich keine ist. Andererseits: ihre Herkunft will sie auch nicht verleugnen. Sie ist stolz auf ihren Migrationshintergrund, denn dadurch ist sie die aufgeweckte, nachdenklich junge Frau geworden, die sie heute ist.

Ein Freund hat ihr einmal gesagt, sie mache sich zu viele Gedanken. Doch dieses Nachdenken hat mit ihrer Geschichte zu tun, mit ihrer Herkunft. Manchmal fühlt sie sich so, als hätte sie schon viel mehr erlebt als ihre Freunde. Doch das stimmt so nicht, es sind einfach nur die Geschichten ihrer Familie, die ihre Erfahrungen bereichern.

„Yolo“ steht für “you only live once”. Das machen nicht wenige Jugendliche zu ihrem Lebensmotto. Sie feiern ausgelassen und denken nicht an morgen. Natürlich darf man Spaß in seiner Jungend haben, keiner bestreitet das, doch irgendwann muss man erwachsen werden und Verantwortung übernehmen. Verantwortung kann man aber erst übernehmen, wenn man sein Leben ernst nimmt. Diese Ernsthaftigkeit hat sich bei Sara früher eingestellt. Zwei Kulturen, die in einigen Punkten nicht unterschiedlicher sein könnten, zerreißen einen manchmal. Man muss die Differenzen überbrücken und in einigen Dingen unterscheidet man sich dann eben von seinen Altersgenossen.

Man muss stark sein, um Grenzen ziehen zu können. Viele Jugendliche sind nicht stark genug oder lassen sich zu schnell entmutigen. Sie werden zu Mitläufern, weil sie nicht anders können oder weil sie nicht ausgeschlossen werden wollen. Für seine Herkunft sollte man sich aber nicht schämen müssen. Wenn man versucht, unterschiedliche Kulturen miteinander zu vereinen, dann sollten Freunde auch bereit sein, Toleranz zu zeigen.

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Chinesische Küche https://www.media4us.de/wp/2013/03/04/chinesische-kuche/ https://www.media4us.de/wp/2013/03/04/chinesische-kuche/#comments Mon, 04 Mar 2013 12:42:17 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1293 Teigtäschchen mit Fleischfüllung, oder lieber etwas Vegetarisches mit Eiern und Schnittlauch? Bei „Jiaozi“ dürfen alle Varianten ausprobiert werden. Ceyhun Yakup Özkardes nimmt uns mit auf eine kulinarische Reise nach China. ]]>

Teigtäschchen mit Fleischfüllung, oder lieber vegetarisch mit Eiern und Schnittlauch untermalt? Bei „Jiaozi“ darf jedes Rezept ausprobiert werden. Eine kulinarische Reise zu den Esskulturen in China.

von Ceyhun Yakup Özkardes

Essen ist mehr als nur Ernährung, es ist eine Erfahrung und ein Ritual. Es ist das Hauptmerkmal von Festen, Zusammenkünften und den Traditionen einer Kultur. Nicht umsonst essen Chinesen beim Geburtstag lange Nudeln, die Sinnbild für ein langes Leben sind. Kultur geht eben auch durch den Magen und besonders in einem großen Land wie China gibt es sehr unterschiedliche Essgewohnheiten.

Jiaozi kochen ist ein Gruppenereignis, bei dem alle mithelfen.

Eines der ersten Gerichte, die ich kennengelernt habe, ist Jiaozi (饺子). Kleine gefüllte Teigtäschchen, die jede chinesische Familie je nach Regison anders zubereitet. Ein großes, spaßiges Erlebnis ist das Kochen von Jiaozi, denn es ist ein Gruppenereignis. Wer von einer chinesischen Familie zu Jiaozi eingeladen wird, der darf sich geehrt fühlen, denn es bedeutet sehr viel Arbeit. Wie am Fließband stehen alle nebeneinander und kneten den nötigen Teig, zerschneiden Schnittlauch, Knoblauch, das Fleisch und viele andere Zutaten. Gleichzeitig entstehen bereits kleine runde Teigstücke, diese wiederum werden weitergereicht und mit geschickten Handbewegungen gefüllt und schließlich auch geschlossen. Fertig ist das Jiaozi – zumindest in Rohfassung. Sie werden anschließend gebraten, gekocht oder gedämpft. Wichtig ist dabei nur, wie auch bei anderen Gerichten, dass die Zutaten frisch sind, damit der natürliche Geschmack des Essens bewahrt wird.

© Ceyhun Yakup Özkardes

Die Technik zum Schließen der Jiaozi ist bei jedem etwas anders

Gekocht wird Jiaozi traditionell zum Frühlingsfest 春节  (Chūnjié), jedes Jahr zwischen Ende Januar und Anfang Februar. In diesem Jahr fiel es auf den 10. Februar. Die Chinesen feiern Neujahr, wenn es bei uns in Europa schon längst keine “Chinaböller” mehr zu kaufen gibt. Der Grund dafür: Deutschland richtet sich nach dem Gregorianischen Kalender, während in China neben diesem auch noch der Mondkalender Gültigkeit besitzt. Bei traditionellen Festen orientieren sich viele Menschen nach wie vor am Mondkalender, wodurch sich die entsprechenden Termine um einige Tage verschieben können.

Je nachdem, in welcher Region man sich gerade befindet, stößt man im riesigen China auf unterschiedliche kulinarische Schwerpunkte. Die grobe Einteilung ist: Norden, Süden, Küstenland im Süden und Innland. Jiaozi kommt aus dem Norden, wo unter anderem auch die Peking Ente beliebt ist. Die Küstenregion dagegen ist eher für ihre Süß- und Salzwasserfische und ihre Krabben bekannt.

Die inländische Küche in den Provinzen Sichuan oder auch Hunan ist würziger und schärfer als an der Küste. Hühnchen und Soja werden für die Speisen sehr oft verwendet. Am meisten verbreitet ist jedoch der Kochstil des Südens, der sehr vielseitig ist. Das kommt durch die starke Zuwanderung in diese Regionen. Durch die schlechte Arbeitslage sind viele junge Menschen darauf angewiesen als Wanderarbeiter in anderen Provinzen auf Arbeitssuche zu gehen. Nach Guangdong zum Beispiel, das im Süden liegt,  kommen Arbeiter aus allen Teilen des Landes und so entsteht eine Vermischung der einzelnen Kochstile. Ein im Süden bekanntes Gericht ist Dim Sum. Das sind ebenfalls gefüllte Teigtaschen, die jedoch anders zubereitet werden.

© Ceyhun Yakup Özkardes

Die grobe Einteilung in verschiedene Regionen wird in Zeiten der Globalisierung immer durchlässiger, sodass sich unterschiedliche Stile und Kulturen in Zukunft immer mehr verbinden werden. Die gesamte Bandbreite an kulinarischen Speisen in China beschreiben zu wollen, ist nicht wirklich möglich. Das liegt an der schieren Größe des Landes. Zu versuchen, alle Gerichte in dem Land zu erfassen, wäre vergleichbar mit dem Ziel, alle Gerichte Europas aufzuzählen.

Zum Autor:

Ceyhun Yakup Özkardes (Yakup88.wordpress.com) hat sieben Monate im Rahmen eines Austauschprogramms in Xiamen studiert und gearbeitet. Er veröffentlichte für das China Tours Online Magazin (www.ChinaTours.de) Artikel und berichtete aus der „saubersten Stadt Chinas“ – Xiamen.

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Flucht ins Lager https://www.media4us.de/wp/2013/02/26/flucht-ins-lager/ https://www.media4us.de/wp/2013/02/26/flucht-ins-lager/#comments Tue, 26 Feb 2013 15:40:06 +0000 https://www.media4us.de/wp/?p=1282 Nach ihrer Ankunft in Deutschland finden sich viele Flüchtlinge in menschenunwürdigen Umständen wieder. Deprimierende Wohnbedingungen in Flüchtlingslagern, tragen zum Gefühl der Perspektivlosigkeit bei. Wie ist das in Einklang zu bringen mit der verfassungsrechtlich garantierten Einhaltung von Menschenrechten und Menschenwürde? Ein Beitrag von Elena Pupejko.]]>

von Elena Pupejko

„Das Bild habe ich noch immer vor Augen. Alles um mich herum ist so dreckig. Ich muss einen Teller nehmen und um Essen bitten. Ich schäme mich so. Pro Woche haben wir sechs Euro Taschengeld bekommen“, erinnert sich Wedyan S., die als Flüchtling 2006 aus dem Irak nach Deutschland kam. Nachdem ihr Bruder entführt wurde und eine Lösegeldforderung von 100.000 Dollar eintraf, ging ihre Mutter zur Polizei. Einige Tage später wurde auch Wedyan bedroht. Das war ein Wendepunkt in ihrem Leben. Krieg, Bedrohung, Angst, Gefahr und endlich – Flucht.

Flucht in einen Staat, der die Menschenrechte und Menschenwürde achtet. Nach der Ankunft in Deutschland finden sich Flüchtlinge allerdings oft in menschenunwürdigen Umständen wieder. Deprimierende Wohnbedingungen in den Flüchtlingslagern, Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften tragen oft zum Gefühl der Perspektivlosigkeit bei. Dreckige, überfüllte Wohnheime sind vielen Asylbewerbern allzu sehr bekannt. Oft kommen die Flüchtlinge traumatisiert aus ihrem Heimatland an. Zusätzlich müssen sie neue Kraft schöpfen, um mit Enge, Isolation und dem Verlust von Privatsphäre in den Asylheimen fertig zu werden.

© Elena Pupejko

Das Recht auf Asyl wird durch den Artikel 16 der deutschen Verfassung garantiert, der  Grundbedarf an Ernährung und Unterkunft wird durch das Asylbewerberleistungsgesetz gesichert. Oft werden Asylsuchende aber behandelt, als seien sie Verbrecher. Ein Blick in das Wohnheim für Flüchtlinge genügt, um zu verstehen: Sie werden als Menschen zweiter Klasse wahrgenommen, die froh sein müssen, dass sie nicht auf der Straße wohnen.

Das Asylheim in Konstanz ist schon lange zu einer Metapher in der Stadt geworden. Viele kennen es als den Ort, den man so schnell wie möglich verlassen möchte. An der Wand hängt eine Anweisung, was man gegen Kakerlaken tun soll. Kinder spielen mit einem Ball auf dem schmutzigen Boden im Flur. Ihre lauten Stimmen hallen durch das graue vierstöckige Gebäude. In ihren Zimmern ist es ihnen zu eng, da vier bis fünf Personen zusammen in einem Zimmer untergebracht sind. Sechs Quadratmeter sind für eine Person vorgesehen. Es stehen Stockbetten in den Zimmern, damit man etwas Platz zum Bewegen hat. Zwei Duschen müssen für etwa 50 Leute reichen. Die Gemeinschaftsküche ist voll, sie teilen sich ebenfalls rund 50 Menschen. Die Fenster sind auf, gegen den schlechten Geruch. Doch Dreck und Schmutz bleiben. Hier werden viele Sprachen gesprochen und es wird auch viel geraucht. Die Bewohner möchten raus, aber sie können nicht. Sie müssen warten, bis ihre Aufenthaltsgenehmigung regelt ist.

Wahid aus Afghanistan wartet schon fast drei Jahre. Wegen der Residenzpflicht darf er sich nicht weiter als 35 Kilometer von Konstanz entfernen. Bis er als Asylbewerber anerkannt wird, darf er das Wohnheim nicht verlassen. Einige Bewohner warten mittlerweile schon sechs Jahre auf ihre Unterlagen. Kirsa M. aus Syrien freut sich, dass seine Aufenthaltsgenehmigung nach zweieinhalb Jahren endlich kam. Jetzt muss er raus aus dem Wohnheim, um Platz für die anderen Flüchtlinge zu machen. Raus möchte er auch gerne, doch Kirsa macht sich Sorgen um die Wohnungssuche. Der Wohnplatz in Konstanz ist knapp und überteuert. Eine Studentenstadt, von Touristen beliebt und an der Schweizer Grenze – ein Alptraum für Flüchtlinge ohne festes Einkommen, die auf der Suche nach einer Wohnung sind. Die Chance, dass Vermieter einen Asylanten unter 50 Bewerber bevorzugen, ist gleich null. Warum Flüchtlinge vor dem Hintergrund der tatastrophalen Wohnungssituation überhaupt nach Konstanz verwiesen werden, versteht keiner.

© Elena Pupejko

Die Wohnumstände von Flüchtlingen sorgen bei Menschenrechtlern seit langem für Diskussionen. Der Bayerische Flüchtlingsrat spricht sich gegen Asyllager und Gemeinschaftsunterkünfte aus. In Bayern gelte bis jetzt eine strenge Lagerpflicht für Flüchtlinge. Laut der Bayerischen Asyldurchführungsverordnung soll die Unterbringung von Flüchtlingen in Sammellagern „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern“. Der Flüchtlingsrat kritisiert die Bundes- und Landesregierung dafür, dass sie gezielt Perspektivlosigkeit für Flüchtlinge schaffen  und sie mit der unmenschlichen Behandlung zur Ausreise zwingen würden. Der Flüchtlingsrat  hält die Lagerpflicht für menschenunwürdig  und fordert die Abschaffung der Gemeinschaftsunterkünfte. Es solle für Menschen möglich sein, in privaten Wohnungen zu wohnen.

Brigitte Fataj von der Asyl- und Flüchtlingsberatung in Nürnberg hält diese Forderung für unrealistisch. „Wer wird den Flüchtlingen eine Wohnung vermieten wollen? Wenn sie dem Vermieter eine Duldung zeigen, die drei Monate gültig ist,  haben sie keine Chancen“, meint die Beraterin. Wedyan S. kennt die Herausforderung, als Flüchtling eine Wohnung in Nürnberg zu suchen. Monatelang konnte sie nichts finden. „Ich war schon hochschwanger. Wir haben nur Absagen bekommen. Mein Mann hatte Arbeit, aber viel Geld hatten wir nicht. Dem Makler mussten wir 1.000 Euro für die Vermittlung zahlen“, sagt Wedyan. Dabei erinnert sie sich an das große Haus, in dem sie mit ihrer Familie im Irak wohnte und das sie nie wieder sehen wird. So, wie sie auch ihren jüngeren Bruder wahrscheinlich nie wieder sehen wird.

 

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