Media4Us > Über Media4Us > MITMACHEN!
Dez 122012
 

von Esther Donkor

„Entschuldigen Sie junge Frau, dass ich Sie anspreche, aber ich wollte Ihnen nur sagen:  Ich bin ja begeistert! Wie tadellos Sie Deutsch sprechen – weiter so!  Ach Sie sind Deutsche? Afro-Deutsche? Also eine farbige Deutsche, sozusagen? Also farbig UND deutsch, beides zur gleichen Zeit?
Und Sie studieren Operngesang? Das ist ja toll! – obwohl Ihnen ja wahrscheinlich der Jazz mehr im Blut liegt…“.

Bild aus der Ausstellung “Homestory Deutschland“

Manchmal wünscht man sich eine Fernbedienung. Mit der Mute-Funktion könnte man für einen Augenblick Ruhe sorgen, aufatmen, sich normal fühlen. Auch wenn es nett gemeint ist, weltoffen und tolerant: Es nervt. Leute, die Afrika für ein ganz tolles Land halten. Leute, die ihr „Deutsch-Sein“ langweilig und das „Exotische“ viel interessanter finden. Leute, die ja nur neugierig sind und dir vorwerfen, du seist viel zu empfindlich. Ja, sie nerven oft genauso sehr wie die Neo-Nazis, die einen zu Schnitzeln verarbeiten wollen und die vermeintlichen „Gutmenschen“, die in entscheidenden Momenten ihre Zivilcourage verlieren.

„Heimat, bittersüße Heimat“ heißt das Theaterstück, das genau mit diesen Themen spielt. Inszeniert vom Berliner Theater-Ensemble „Label Noir“, habe ich es mir im Rahmen der Ausstellung „Homestory Deutschland“ in Köln angesehen. „Label Noir“ gibt es seit 2007. Die Besetzung besteht aus einer Gruppe professioneller, afrodeutscher Schauspielerinnen und Schauspielern, die mich und die anderen Besucher des Stücks mit einem Mix aus Theater-Szenen, Film-Clips, Stand-Up und Improvisation schwer begeisterten und zu neuen Denkansätzen bewegten. Was wäre zum Beispiel, wenn nicht Europa für Afrika, sondern Afrika für Europa Spendenaktionen starten müsste? Katja Ebsteins Schlager-Hit „Ein Indiojunge aus Perú“ müsste textlich angepasst werden. Anstatt „Ein Indiojunge aus Perú, der will leben so wie Du. Er will leben, doch die Türen bleiben zu“ hieße es dann „Weißer Junge aus Karlsruh‘, will leben so wie du“. Performt von einer afrikanischen Tanzgruppe, die das Publikum mit ihrem Song dazu aufruft, für das arme Europa zu spenden.

„Heimat, bittersüße Heimat“ bespielt jedoch nicht nur das Afrodeutschsein. Das Anderssein im Allgemeinen wird portraitiert und das fesselt bis zur letzten Minute. Gerne zitiere ich die Beschreibung des Stücks auf der Internetseite von „Label Noir“, denn besser kann es eigentlich nicht gesagt werden:

Irgendwo zwischen politischer Satire, Theater und szenischer Lesung inszenieren sie ein kleines Stückchen bundesrepublikanischer Wirklichkeit. Bizarr, absurd, traurig, komisch, ärgerlich und auf dem Wege der Besserung. Am Ende ahnt man, dass es noch Zeit, noch einige Zeit dauern wird, bis Deutschland versteht, dass die in Deutschland lebenden Menschen – deutsch sind. Egal welche Hautfarbe, welchen Akzent, welche Herkunft und welche Bildung sie haben. Einfach deutsch Sein. Warum wir immer noch darauf warten müssen?“

Das Stück hat sehr zu der Austellung „Homestory Deutschland“ gepasst. Im deren Rahmen wurden die Biografien von 27 Schwarzen deutschen Persönlichkeiten aus drei Jahrhunderten präsentiert. Vom 18. Jahrhundert bis heute gab es stets Afrodeutsche in unserem Land. Wie sie ihr Leben hier gemeistert, wie sie gelitten und wie sie gelebt haben, wird im Rahmen von „Homestory Deutschland“ deutlich. Das ist wichtig – nicht nur für Afrodeutsche, sondern für alle, die in unserem Land leben. In Köln ist die Ausstellung leider erfolgreich zu Ende gegangen. Vom  23. Januar bis 22. Februar 2013 findet sie jedoch in Nürnberg statt. Und ich kann jedem nur empfehlen, sie zu besuchen.

 

Sorry, the comment form is closed at this time.